9/27/2008

September

chronologisch ...

Sa, 13. Sept:
Meine Fitnesscenter-Chinesin (meine chinesische Mama, sie heisst auch Maria) nimmt mich in die 朝阳图书馆, die Bibliothek an der Strasse mit, wo ich in einen Saal voll Freizeits-Englischlernenden jeden Alters trete. Die Lektion wird von einem fortgeschrittenen Volunteer moderiert; ich darf mich vorstellen und werde vor allem über meine Meinung und Gefühle den Olympics befragt, ob ich beim 鸟巢 Bird's Nest schon gewesen sei etc.; anschliessend treten einige Schüler vor und erzählen etwas auf Englisch, lautstark werden alle Fehler und Unklarheiten diskutiert, und anschliessend setzt man sich zu Free Speaking Gruppen zusammen - wobei ich mich sofort umrundet finde von gesprächigen Schülern. Wir wechseln ab zwischen Chinesisch und Englisch und sie lachen über meine schlechten Tonkenntnisse. Ein Geografie-Professor kennt alle Teile des Rheins auf Deutsch (!) und eine Hausfrau erklärt mir, in der Alltagssprache sei es nicht nötig, alle Sätze fertig zu machen.

Di, 16.
: In dieser Woche komme ich zur schmerzlichen Erkenntnis, dass Chinesisch auch eine Grammatik besitzt, und dass sie nicht einfacher ist, sondern ganz ebenso willkürlich und hinterhältig wie die anderer Sprachen.
Abends begebe ich mich zum Studenten-Empfang der Schweizer Botschaft. Im Moment, wo ich ins Taxi einsteige, bricht ein Riesengewitter über die Stadt los; Die hundert Meter vom Taxi zur Botschaft reichen aus, um meine Schuhe durchzunässen. Ich habe zum ersten Mal kalt, seit ich in China bin. Es sind etwas 30 Leute anwesend, freundlich und schweizerisch verhalten, die steuernfinanzierte Röschti ist zwar nicht gesalzen, der Rest ist aber ganz vernünftig. Als es aufgehört hat mit Regnen, nehme ich den Bus nach Hause. Busfahren ist jedesmal eine Überraschung; diesmal ist er nicht sehr voll, die Leute schauen mich mit grossen Augen an und ich kriege sofort einen Sitzplatz angeboten.

Sa, 20.: Ich besuche in der 北堂, der Nordkathedrale, um 17 Uhr den katholischen Gottesdienst (wiederum auf Deutsch) und bewundere zwei erstaunliche chinesische Marienbilder. Diesmal fahre ich in einem dunklen, vollgestopften Bus nach Hause und steige rechtzeitig aus, bevor ich vollständig erdrückt werde. Zum z'Nacht gibts vom Koch live hand-pulled noodles in einer Beiz auf einem stylischen Gundeldinger-Feld-Areal im Sanlitun. Dazu eine witzige Unterhaltung über chinesische Bürokratie und Gesundheitsrichtlinien.

Di, 23.: Bei der spontanen Block-Umrundung mit einem kongolesischen Flurnachbarn stossen wir auf einen Tanzwettbewerb, der neben dem McDonalds abgehalten wird. Unter vielen traditionellen Darbietungen sehen wir auch eine taubstumme Bauchtanzgruppe, deren synchrone Bewegungen mich beschämt den Kopf abwenden lassen.

Mi, 24.: Ich besuche spontan die Eröffnungsveranstaltung des Crossings Festival, einem alljährlichen independent-Film/Tanz/Theater-Happening. Der Schweizer Regisseur Peter Liechti zeigt dort fünf seiner Filme; "Signers Koffer" der erste in dieser Reihe. Die Zuschauer sind hauptsächlich chinesische Kunst&Film-Studenten, ein weiterer Schweizer Filmschaffender und ich bilden die Ausnahme. Die anschliessende Diskussion ist angeregt und interessant, nach einer knappen Stunde jedoch verlassen die meisten den Ort, um sich auf den morgigen Workshop vorzubereiten. Wir essen zu dritt z'Nacht im "Village", gleich wo sich die Galerie befindet (Beijing erinnert hier draussen am 5. Ring tatsächlich eher an ein armes Dörflein als an eine boomende Metropole ..).

Do. 25.: Im Auftrag unserer 口语 - Sprachlehrerin gehe ich mit dem Vokabular der 1. Lektion Fotos entwickeln, komme aber nicht dazu, mich weitschweifiger zu unterhalten als "diese Grösse", "jene Fotos", "Danke". Enttäuschend. Dafür werde ich im Unterricht genötigt, lang und breit über mein Land zu erzählen (Berge, Skifahren); ich stottere schon immer weniger betrachte stolz die Beige meiner vollgeschriebenen Schreib-Übungs-Heftli.

Fr. 26.: Ich lasse mir die Haare schneiden in einem Coiffeurladen, der fast gleich heisst wie ich: 苏珊娜. Obwohl sie nicht weiter fragen, was ich denn für eine Frisur möchte, habe ich keine Angst. Ausführliche Kopfmassage und zuvorkommende Behandlung, dafür ist die Frisur jetzt nicht gerade schockierend anders als vorher. Aber das ist ja nicht unbedingt schlecht. In einer Mall, die bald geschlossen wird, ist Einkaufen zwar weniger anstrengend, aber auch weniger lustig, weil sie nicht mehr verhandeln. In einem Supermarkt erstehe ich "teurere" DVDs (um die 15¥), weil sie wohl nicht offiziel Raubkopien sind - oder so. Ich stelle keine Fragen ;)

Sa, 27.: Die chinesischen Strumpfhosen halten überraschenderweise den Abend lang ohne Laufmaschen. Ich übernachte nach einer langen Geburtstagsfeier bei den Albanerinnen. Ja, ich weile wohl innerlich noch halb in Europa ... zumindest, wenn man von meinen bisherigen Bekanntenkreis hier im Fernost her schliessen will. Aber ich mühe mich, ich mühe mich - und habe in meinem ersten Monat in Beijing doch schon allerhand erlebt.
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9/15/2008

苏姗告诉事 - Sushan erzählt Sachen

Nach dieser ersten fiesen Schulwoche durfte ich ein recht ereignisreiches Wochenende erleben. Freitag Abend nahm mich die albanische Botschaftertochter in einen neuen Club in Sanlitun (dort wo sich 差不多 alle Clubs befinden), wo sie und ihre Freundin den Manager um den Finger gewickelt haben, dass er sie jedesmal gratis einlässt und wie VIPs behandelt. Das ist nützlich, um den Abend günstig zu starten. Am Nachmittag war ich mit einer Deutschen aus der Schule noch einmal im Chaoyang Park gewesen, habe meinen blau-goldenen Sonnenschirm ausgezuführt und nach dem Fremdsprachen-Bombardement an der Uni das Gespräch mit einer sinnesverwandteren Seele genossen.

Samstag gingen wir (die Deutsche und ich) dann gemeinsam schwimmen, vietnamesisch essen und schauten uns danach ebenfalls im Sanlitun die rooftop- Bar Blu an. Ungleich dem Obiwan beim Xihai war die Stimmung hier nicht beschaulich und ruhig; der Ausländeranteil hingegen ebenfalls um die 100% (wenn man von den asiatischen-Frauen-mit-weissem-Mann absieht) Der Abend endete leider abrupt damit, dass ich beim Verlassen des Gebäudes die Treppe runterfiel; der Kopf hörte zum Gück gleich auf zu Bluten, und immerhin gingen wir an diesem Abend nicht zu spät ins Bett ;-)

Sonntag morgen besuchte ich den evangelischen Gottesdienst in der deutschen Botschaft und ging anschliessend in einem kleinen 饭馆 Fanguan 饺子 Jiaozi essen - wobei ich die Gelegenheit ergriff, und auf dem rein chinesisch geschriebenen Menu von denen mit dem Zeichen 狗 für Hund nahm ...

Sonntag war auch 中秋节, das traditionelle Mid-Autumn-Festival, wo es der Brauch ist, mit der Familie zusammenzukommen und den 月亮 Vollmond zu betrachten, der um diese Zeit im Jahr der Erde am nächsten sein soll. Mit der Deutschen und einem Kongolesen vom gleichen Stock kauften wir im Supermarkt alle Sorten dieser zweifelhaften Mondkuchen und setzten uns in die Cafeteria, als es zu regnen begann - erst mal also nichts mit Mondschau. Später setzten wir in ein Nudel-Fastfood-Restaurant über, wo das Bier nur 3 Yuan kostet, und lachten über fremde Küche und fremde Tischmanieren und vor allem über unser Chinesisch-Niveau (Mandarin können heisst nicht, Beijing-Hua zu verstehen!) und fanden noch später einmal mehr im Sanlitun, obwohl ich ja diesen Abend nicht gehen wollte ... Um 2 Uhr morgens aber sah ich dafür den Vollmond am klaren Nachthimmel über den Hochhäusern.

Heute Montag hatten wir wegen des gestrigen Feiertags noch frei, und es ist schon gar nicht mehr weit bis zum 1. Oktober, dem chinesischen Nationalfeiertag; Gerüchte gehen um, dass man da die ganze Woche Ferien hat. Der Onkel meiner Cousine rief an, und nun bin ich eingeladen, den Nationaltag mit seiner Familie zu verbringen. Da muss ich aber noch chinesisch lernen zuerst! Wah. Ich stand um 10:00 auf, las mein Wei-Hui-Shanghai-und-Sex-Buch fast fertig, räumte nicht auf und rannte aus dem Sushe in den Supermarkt, und mit Picknick ins Taxi an den Houhai, wo ich die ehemalige Austauschschülerin aus Nanjing traf, die mit mir den ganzen Nachmittag Chinesisch übte. Sie arbeitet als Volunteer bei den Olympics und Paralympics und kann mir vielleicht Tickets für den Niao-Chao-Park während der Closing Ceremony besorgen. Wir hattens lustig und wanderten beide zum erstenmal an diesem kleinen Seelein und den dahinter liegenden Touristen-überschwemmten Hutongs vorbei, und ich kam richtig rein ins Reden und Denken in dieser anderen Sprache. Mit dem Taxi fuhr ich von diesem alten Quartier nach Hause, hinein in die Hochhäuser, ein spektakulärer Szene- und Tempowechsel innert ganz kurzer Zeit, immer wieder überraschend.

Mit meiner Tadjikin ging ich gleich wieder los nach Xidan und kaufte zu viele Kleider; und jetzt schreibe ich blog statt meinen 300-Zeichen-Aufsatz in Angriff zu nehmen für morgen. Und dann gehe ich auch wieder zu spät ins Bett ... Tztz. Ich wollte doch hier ein fleissiger, pünktlicher und dezenter Mensch werden!
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9/11/2008

Träume

Heute war ein schöner Tag. Nach einer nicht-so-gut-Phase gestern, wo mir das China-Jahr wie ein schwarzer Nebel aus Einsamkeit und ein Berg aus unentzifferbaren Schriftzeichen den Sinn trübte, wachte ich heute ängstlich auf, fasste aber während des Morgens wieder Mut, lachte mit der albanischen Banknachbarin, ass mit der deutschen AK-Zwillingin z'Mittag, führte ein Telefongespräch fast ganz auf Chinesisch und verabredete mich gleich mit zwei Chinesinnen. Ich wechselte aus dem Zimmer mit der Kasachin ins Nachbarszimmer, das ich nun mit einer Tadjikin (?) teile, richtete mich ein, genoss den Tag und ging am Abend allein in den riesigen Chaoyang Gongyuan, der Vergnügungspark "ganz in der Nähe".

Der Mond schien, man sah Sterne am Himmel und viele Liebespaare tummelten sich am Seelein, wo die Enten-Böötli alle schön am Ufer entlang aufgereiht lagen ... Trauerweiden ... ein lauer Abend etc. Der Eintritt in den Park kostet auch nur 5 Yuan, nicht 20, wie im Beihai. Beim Zurückkehren hatte ich die merkwürdige Idee, in einem Traum zu wandeln. Als wäre ich an einem bestimmten Karussell schon einmal vorbeigelaufen ... Das Taxi fuhr mich heim, mit dem Zimmernachbarn ging ich noch einmal um den Block, bevor ich mich zurück zu meinen Hanzi begab. Und zum erstenmal bin ich entspannt, seit die Schule angefangen hat ... First hard week is over :) endlich.

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9/04/2008

Beijing! Ankunft

Der Flug: 5 Filme. Kein Schlaf. Müde Beine ... Do. 28/08/08
Nach 13 Stunden in einem dunklen, halbleeren Flugzeug war die Ankunft im neuen Terminal des Beijing Airport nicht nur im übertragenen Sinne wie der Eintritt in eine neue Welt - eine stille, teure, vornehme Welt, wie ich sie von meiner ersten Reise im letzten Frühling nicht in Erinnerung hatte. Der glänzende helle Steinboden, den ich später zu meinem Erstaunen sogar in der U-Bahn antreffen würde, war rutschig, so glatt, und das kühle Plätschern eines Springbrunnens erfüllte die Halle.

Bis der Eindruck verdaut war, stand ich auch schon am Ausgang des Flughafens und wurde vom ehemaligen Mitschüler einer Schweizer Freundin in Empfang genommen. Ab in die drückende Hitze des Pekinger Sommers - durch den Smog sah man kaum die Sonne und die Luft legte sich um uns wie eine warme Wolldecke. Die Strecke zur Shoudu Jingji Maoyi Daxue, Capital University of Economy and Business, war zum Glück relativ kurz. Am selben Abend besorgte mir Hu Ruyi noch ein Handy und nahm mich zum Znacht mit.

Am nächsten Morgen gings schon um 8 Uhr weiter mit Geld abheben - wobei mir die PostFinance-Limite in die Quere kam - und anstehen im Financial Affairs und Liuxuesheng Bangongshi, dem Foreign Students Office. Danach legte ich mich ins Bett und liess mich erst zum Znacht von meiner kasachischen Mitbewohnerin aus dem Bett holen. Nach einem unterhaltsamen Stadtspaziergang gingen wir wieder schlafen; für die Mittagsruhe bezahlte ich dann um 3 Uhr morgens, als ich hellwach auf dem Balkon meines Zimmers beobachtete, wie der Tag über die Stadt kam.

Mit dem neuen Reisebegleiter in der neuen Handtasche (Catrina <3) machte ich mich auf ein erstes Erkundungstüürchen, verfuhr mich, fand den Friendship Store, den Ritan Park und spazierte durch das Sanlitun Quartier bis zum Bookworm, es regnete ein bisschen aber es war trotzdem sehr schön und auch ein bisschen surreal, irgendwie. (Das war jetzt so ein Flick-Schreiben, weil ich beim Editieren der Fotos versehentlich den Abschnitt gelöscht hab).

Die folgenden zwei Tage waren strahlend blau behimmelt und dank Jetlag konnte ich sie weiterhin früh beginnen; Ich stattete der russischen Pelzmantel-Strasse Yabaolu (gleich neben dem Sonnentempel), der Wangfujing Einkaufsmeile, dem Beihai-Park neben dem Kaiserpalast, und mit zwei Freundinnen aus der Schweiz dem Dashanzi 798 Kunst-Areal ausgedehnte Besuche ab.
Ich gewöhnte mich bald wieder ans Feilschen, ging aber den Verkäufern, ganz zu ihrem Vergnügen, noch ein paarmal auf den Leim, probierte Milchglacé und Nature-Yoghurt zum Schlürfen von Strassenhändler, fuhr an der Chaoyang Christian Church vorbei, sah den Karten spielenden Männern und den Walzer tanzenden Paaren abends in den Strassen zu und ging für 100 Yuan ins Fitnesscenter schwimmen. Da schwatzte eine Chinesin 1 km lang mit mir durch, und jetzt bin ich "auf sehr bald" zum Tee eingeladen.

Die Leute hier sind bestimmt nicht homophob, ihr Leben spielt sich viel mehr noch als in Europa an öffentlichen Orten ab. Zum Beispiel die Basketballer vor unserem Balkon, die täglich um 6 Uhr morgens (!) kommen und um 22 Uhr wieder gehen ... Dazwischen die Turn- oder Tanzgruppen um 7 Uhr morgens und abends etc. etc. Und das macht wohl auch die angenehme Atmosphäre der Stadt aus, dass sich die Leute vom 24/7-Businessrummel rundum nicht aus der Ruhe bringen lassen.
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9/03/2008

CH-CA-CN


Nach abgeschlossenem Putzmarathon und erfolgreicher Hausübergabe verabschiedeten Magdalena und ich uns von unseren Basler Freunden, während Maria mit Christina und Lucienne die letzte Nacht in der Schweiz bei den Berner Grosseltern verbrachten. Am Zürcher Flughafen trafen wir am 1. August frühmorgens zusammen und traten nach letzten Adieus von Heidi und Yasar und Magdalenas "Komitee der Allerliebsten" den langen Flug nach Toronto an. Trotz vieler Tränen und kaputter Video-Bildschirmen ausgerechnet an unseren Sitzen (hinterhältig & gemein!) kamen wir um 3 Uhr Nachmittags Ortszeit wohlbehalten auf kanadischem Boden an und wurden von Jakob, der vor uns noch an einer Veterinär-Konferenz in Vancouver teilgenommen hatte, mit einem mega-posh-Mietgefährt (Dodge - und etwas) sogleich nach Guelph in ein B&B unweit des zukünftigen Heimes chauffiert. Abends bei Fish&Chips erhielten wir einen ersten Eindruck des verschobenen kanadischen Dimensionsgefühls.

Gleich am nächsten Tag führte uns eine kanadisch-schweizerische Familie, nachdem sie uns beim Kauf eines Occasion-Autos geholfen hatte, zu den Niagarafällen und ins "Swiss Chalet" - ein Restaurant dessen BBQ-Angebot nicht unbedingt für
Heimatsgefühle, für Genuss aber sicher sorgte. In den nächsten Tagen in Guelph lagen wir Kinder vor allem müde herum, während die Eltern die letzten Dinge organisierten, bevor wir auf Landeserkundigung aufbrechen konnten. Auf einem Stadtspaziergang sahen wir ein wenig von der Stadt und auch den Lake Guelph, ein Stausee in der Nähe, lernten wir kennen.

Ende der Woche endlich fuhren wir von B&B-Hotel fort und in den Sandbanks Provincial Park am Lake Ontario. Dort, an einem der Great Lakes, erklärte uns die Weite des Landes, warum alles hier so grosszügig angelegt ist - für uns Bewohner des dichtbesiedelten Europas so ungewohnt. Die Wellen des Ontariosees lockten uns wie ein Süsswassermeer und wir alle vier Mädchen spielten, bis wir so erschöpft waren, dass die Eltern uns bekochten und wir alle ohne abzuwaschen um 9 Uhr ins die Schlafsäcke krochen. Nach zwei Nächten gingen wir weiter nach Ottawa, von wo uns die Grossmutter einer weiteren befreundeten Familie kanadischen Ursprungs zu ihrem Cottage in Val des Bois (nördl. von Gatineau) im Québec führte.

Dort verbrachten wir eine sehr enstpannte Woche in allem Luxus, den ein Häuschen mit Kanu und Kajak an einem stillen moorigen Stausee bietet. Jakob und Lulu fingen am ersten Tag unlizenziert einen Fisch, wir assen Pancakes mit Ahornsirup und Pancakes mit Ahornsirup und Pancakes mit Ahornsirup und paddelten über den See und sonnten uns und spielten und wanderten durch den Gatineau-Park, blickten von der Pierre de Niton auf Ottawa und die Ebene des Ottawa Rivers hinab, und schrieben Briefe an die Schweiz. Val des Bois ist wirklich ein verwunschener Ort. Nur ungern verliessen wir ihn am Ende dieser schönen Woche, um über Montréal und Québec City nach Tadoussac am St. Lorenz-Strom zu gelangen.

Tadoussac liegt an der Mündung des Saguenay-Fjords (einer der wenigen kanadischen Fjorde) und des St. Lorenz in den Atlantik. Die Tiefe des Beckens, wo der Saguenay-Fluss und der St. Lorenz zusammenfliessen, bewirkt eine Schichtung des warmen Süsswassers und des kalten Meerwassers. Ideale Bedingungen für Phytoplankton und Krill - und deshalb sommers viel besucht von Walen, die im Norden ihre Fettreserven anlegen für die winterliche Fortpflanzung im Süden. Mit einem Motorboot fuhren wir auf Erkundung aus und beobachteten die grossen Wasserfontänen der Finnwale und die Schwanzflossen-Schau einiger Buckelwale. Vom Cap du Bon Désir, einem Felsen direkt am Meer, kamen kleine Finnwale bis auf 30 Meter heran und zeigten bei der spektakulären Oberflächen-Nahrungsaufnahme auch die Unterseite ihrer grossen Mäuler. Einen Blauwal sahen wir leider nicht ... Dafür hatten wir ein weiteres Mal grosses Glück, als wir Beluga-Wale ein Stück weiter hinten im Fjord in der Baie St. Marguerite besuchten. Bei Tadoussac lebt die südlichste Beluga-Kolonie und Forscher arbeiten intensiv mit ihnen und den Touristen. In den Schutzzonen wurden wir kompetent unterrichtet über Biologie, Sozialverhalten, Sprachsystem und auch über die Geschichte der Wal-Jagd bis heute.

Wir besuchten auch ein Indianer-Reservat beim Lac St. Jean, den Saguenay-Fluss ein recht
weites Stück hinauf. Gleich vor dem Museum wurde ein Mann verhaftet; Neben Alkohol, Drogen und Armut sprang aber auch das Engagement der Mashteuiatsh für den Erhalt ihrer Geschichte & Kultur und für Gehör bei den kanadischen Behörden. Die Problematik bleibt aktuell. Im gut ausgestatteten Museum sahen wir einen Film über traditionelles Jagen und Fischen, Handwerker zeigten, was ihnen ihre Eltern und Grosseltern gelehrt hatten und wir lasen viel über Kolonisation und Missionierung und eben auch Verdrängung dieses Volkes.

Nach vier Nächten fuhren wir zurück nach Québec City, direkt ins 400-Jahres-Jubiläum der Stadt hinein. In dieser Stadt fühlte ich mich plötzlich "vertrauter", weil die Strassen und Häuser viel europäischer (enger) gebaut waren. Neben Militärmusik-Paraden und Strassentheatern erlebten wir auch ein rührseliges gratis Openair-Konzert von Céline Dion zusammen mit 10000 stolzen Québécois.

Als letzte Reise-Etappe gastierten wir auf einem Gänse-verschissenen-und-mücken-bewölkten-aber-sonst-wunderschön-gelegenen Campingplatz am Ontariosee und besuchten das Upper Canadian Village, eine Art Ballenberg-Freilichtmuseum. Das Dorf aus den 1860ern beherbergte eine Sägerei, eine Kornmühle, eine Bäckerei, ein Gasthaus, einen Fassbinder, eine Kirche etc, und die Museums-Leute gaben kompetent und unterhaltsam Auskunft. Hier fanden wir endlich wieder einmal Vollkornbrot, das wir sogleich genüsslich aufassen, und dann gelangten wir nach einer langen Heimfahrt und einem letzten Mal Tim Horton's zum Znacht in Guelph an.

Die letzten Tage, die ich in Kanada erlebte, waren mit Auspacken, Einrichten und Einkaufen gefüllt, und ich bin sehr froh, vor der grossen Reise noch so vieles mit der Familie erlebt zu haben. Alle begleiteten mich an den Toronto Airport und ich konnte den Flug wohlgemut begehen.