9/03/2008

CH-CA-CN


Nach abgeschlossenem Putzmarathon und erfolgreicher Hausübergabe verabschiedeten Magdalena und ich uns von unseren Basler Freunden, während Maria mit Christina und Lucienne die letzte Nacht in der Schweiz bei den Berner Grosseltern verbrachten. Am Zürcher Flughafen trafen wir am 1. August frühmorgens zusammen und traten nach letzten Adieus von Heidi und Yasar und Magdalenas "Komitee der Allerliebsten" den langen Flug nach Toronto an. Trotz vieler Tränen und kaputter Video-Bildschirmen ausgerechnet an unseren Sitzen (hinterhältig & gemein!) kamen wir um 3 Uhr Nachmittags Ortszeit wohlbehalten auf kanadischem Boden an und wurden von Jakob, der vor uns noch an einer Veterinär-Konferenz in Vancouver teilgenommen hatte, mit einem mega-posh-Mietgefährt (Dodge - und etwas) sogleich nach Guelph in ein B&B unweit des zukünftigen Heimes chauffiert. Abends bei Fish&Chips erhielten wir einen ersten Eindruck des verschobenen kanadischen Dimensionsgefühls.

Gleich am nächsten Tag führte uns eine kanadisch-schweizerische Familie, nachdem sie uns beim Kauf eines Occasion-Autos geholfen hatte, zu den Niagarafällen und ins "Swiss Chalet" - ein Restaurant dessen BBQ-Angebot nicht unbedingt für
Heimatsgefühle, für Genuss aber sicher sorgte. In den nächsten Tagen in Guelph lagen wir Kinder vor allem müde herum, während die Eltern die letzten Dinge organisierten, bevor wir auf Landeserkundigung aufbrechen konnten. Auf einem Stadtspaziergang sahen wir ein wenig von der Stadt und auch den Lake Guelph, ein Stausee in der Nähe, lernten wir kennen.

Ende der Woche endlich fuhren wir von B&B-Hotel fort und in den Sandbanks Provincial Park am Lake Ontario. Dort, an einem der Great Lakes, erklärte uns die Weite des Landes, warum alles hier so grosszügig angelegt ist - für uns Bewohner des dichtbesiedelten Europas so ungewohnt. Die Wellen des Ontariosees lockten uns wie ein Süsswassermeer und wir alle vier Mädchen spielten, bis wir so erschöpft waren, dass die Eltern uns bekochten und wir alle ohne abzuwaschen um 9 Uhr ins die Schlafsäcke krochen. Nach zwei Nächten gingen wir weiter nach Ottawa, von wo uns die Grossmutter einer weiteren befreundeten Familie kanadischen Ursprungs zu ihrem Cottage in Val des Bois (nördl. von Gatineau) im Québec führte.

Dort verbrachten wir eine sehr enstpannte Woche in allem Luxus, den ein Häuschen mit Kanu und Kajak an einem stillen moorigen Stausee bietet. Jakob und Lulu fingen am ersten Tag unlizenziert einen Fisch, wir assen Pancakes mit Ahornsirup und Pancakes mit Ahornsirup und Pancakes mit Ahornsirup und paddelten über den See und sonnten uns und spielten und wanderten durch den Gatineau-Park, blickten von der Pierre de Niton auf Ottawa und die Ebene des Ottawa Rivers hinab, und schrieben Briefe an die Schweiz. Val des Bois ist wirklich ein verwunschener Ort. Nur ungern verliessen wir ihn am Ende dieser schönen Woche, um über Montréal und Québec City nach Tadoussac am St. Lorenz-Strom zu gelangen.

Tadoussac liegt an der Mündung des Saguenay-Fjords (einer der wenigen kanadischen Fjorde) und des St. Lorenz in den Atlantik. Die Tiefe des Beckens, wo der Saguenay-Fluss und der St. Lorenz zusammenfliessen, bewirkt eine Schichtung des warmen Süsswassers und des kalten Meerwassers. Ideale Bedingungen für Phytoplankton und Krill - und deshalb sommers viel besucht von Walen, die im Norden ihre Fettreserven anlegen für die winterliche Fortpflanzung im Süden. Mit einem Motorboot fuhren wir auf Erkundung aus und beobachteten die grossen Wasserfontänen der Finnwale und die Schwanzflossen-Schau einiger Buckelwale. Vom Cap du Bon Désir, einem Felsen direkt am Meer, kamen kleine Finnwale bis auf 30 Meter heran und zeigten bei der spektakulären Oberflächen-Nahrungsaufnahme auch die Unterseite ihrer grossen Mäuler. Einen Blauwal sahen wir leider nicht ... Dafür hatten wir ein weiteres Mal grosses Glück, als wir Beluga-Wale ein Stück weiter hinten im Fjord in der Baie St. Marguerite besuchten. Bei Tadoussac lebt die südlichste Beluga-Kolonie und Forscher arbeiten intensiv mit ihnen und den Touristen. In den Schutzzonen wurden wir kompetent unterrichtet über Biologie, Sozialverhalten, Sprachsystem und auch über die Geschichte der Wal-Jagd bis heute.

Wir besuchten auch ein Indianer-Reservat beim Lac St. Jean, den Saguenay-Fluss ein recht
weites Stück hinauf. Gleich vor dem Museum wurde ein Mann verhaftet; Neben Alkohol, Drogen und Armut sprang aber auch das Engagement der Mashteuiatsh für den Erhalt ihrer Geschichte & Kultur und für Gehör bei den kanadischen Behörden. Die Problematik bleibt aktuell. Im gut ausgestatteten Museum sahen wir einen Film über traditionelles Jagen und Fischen, Handwerker zeigten, was ihnen ihre Eltern und Grosseltern gelehrt hatten und wir lasen viel über Kolonisation und Missionierung und eben auch Verdrängung dieses Volkes.

Nach vier Nächten fuhren wir zurück nach Québec City, direkt ins 400-Jahres-Jubiläum der Stadt hinein. In dieser Stadt fühlte ich mich plötzlich "vertrauter", weil die Strassen und Häuser viel europäischer (enger) gebaut waren. Neben Militärmusik-Paraden und Strassentheatern erlebten wir auch ein rührseliges gratis Openair-Konzert von Céline Dion zusammen mit 10000 stolzen Québécois.

Als letzte Reise-Etappe gastierten wir auf einem Gänse-verschissenen-und-mücken-bewölkten-aber-sonst-wunderschön-gelegenen Campingplatz am Ontariosee und besuchten das Upper Canadian Village, eine Art Ballenberg-Freilichtmuseum. Das Dorf aus den 1860ern beherbergte eine Sägerei, eine Kornmühle, eine Bäckerei, ein Gasthaus, einen Fassbinder, eine Kirche etc, und die Museums-Leute gaben kompetent und unterhaltsam Auskunft. Hier fanden wir endlich wieder einmal Vollkornbrot, das wir sogleich genüsslich aufassen, und dann gelangten wir nach einer langen Heimfahrt und einem letzten Mal Tim Horton's zum Znacht in Guelph an.

Die letzten Tage, die ich in Kanada erlebte, waren mit Auspacken, Einrichten und Einkaufen gefüllt, und ich bin sehr froh, vor der grossen Reise noch so vieles mit der Familie erlebt zu haben. Alle begleiteten mich an den Toronto Airport und ich konnte den Flug wohlgemut begehen.