5/25/2009

Anektötchen

(für Nevena)

Freitag ging ich in die kleine Campus-Klinik, um mich um Alternativbehandlugen für die kleine Warze an meinem Finger zu erkundigen. Der TCM-Arzt* erklärte ernsthaft, die Arzneien nützen nichts, das gehe mit Lazer aber ganz schnell weg. Ich lächelte und ging zurück in den Unterricht.

* TCM steht für Traditional Chinese Medicin, oder auf deutsch: Traditionelle Chinesische Medizin.

5/24/2009

Latest

Die letzten Wochen waren von ins Unerträgliche steigenden Temperaturen geprägt, die Fragen nach dem Überleben im weiteren Sommerverlauf aufkommen liessen. Ich liess mich aber nicht unterkriegen und unternahm desto mehr Aktivitäten.

An einem klaren Tag in der letzten Woche stiegen Suzie, Wilfredo und ich auf den Fernsehturm im Westen der Stadt und genossen einen 360° Blick über das (20) Millionendorf, das Peking ist.

Am nächsten Abend begingen Couchsurfer die Durchquerung der Altstadt entlang der imaginären "Drachenpuls" Achse, die sich 7.8 km lang vom Yongdingmen im Süden nordwärts über Qianmen, Tian'anmen und Kaiserpalast zum Trommel- und Glockenturm hinauf erstreckt und die Stadt, wie sie zu Ming und Qing Zeiten aussah, fast symmetrisch teilt. Auf dieser Achse befindet sich der grösste Teil der imperialen Architekturen und auch ein guter Teil der modernen Regierungsapparate.

Letzten Sonntag unternahm ich eine 3-Stunden-Fahrt ins Dörfchen Changping, das zwar offiziell schon ein Stadtteil Pekings ist, aber de facto fast bei den Hügeln der Grossen Mauer liegt... Dort kam ich zwar zu spät zum Gottesdienst, erstand aber dennoch das chinesische Kirchengesangbuch (juhui).

Im Laufe dieser Woche löste ich mein Internetproblem, liess mir die Lunge nicht röntgen, schlief jede Nacht schlecht, erhielt gute Sprachtestresultate zurück, kaufte Bücher, ging joggen (!) und stattete wieder einmal den Kunstvierteln einen Besuch ab. Soweit... :)

Ze Internet Phenomenons

In diesem Jahr, in dem sich ein paar wichtige Ereignisse (60 Jahre Volksrepublik) und ein paar wichtige Un-Ereignisse (20 Jahre...) jähren, und wo China zwischen den Olympischen Spielen in Peking letztes Jahr und der Weltausstellung in Shanghai in 2010 für einmal nicht mitten im Aufmerksamkeitsfokus liegt, ist es Zeit & Gelegenheit für Chinas Regierung, seinem Volk wieder ein bisschen genauer auf die Finger zu schauen. Wir alle haben von der Internet-Zensur gehört, die hier (notabene in Zusammenarbeit mit westlichen Firmen, zB. Google) praktiziert wird. Wer nun im fernen Westen schon immer von der Gelegenheit träumte, unter volksrepublikanischen Bedingungen im Internet zu surfen, kann jetzt mithilfe eines neuen Firefox-Add-ons diesen Wunsch verwirklichen. Viel Spass!

PS: Ja, es ist wirklich so. Und: Nein, es ist nicht unumgehbar, wie dieser Blogeintrag beweist.

5/14/2009

五一 Weekend

Vor zwei Wochen war der erste Mai, und wir hatten offiziell drei Tage frei (das ist aber gelogen, weil zwei davon waren sowieso Wochenende), also zumindest den Freitag. Lange waren sowohl Grosse Mauer Wanderung als auch Couchsurfing-Fahrt nach Datong geplant und gebucht, am Donnerstag 31sten stellte Alain aber einen Fehler an den Tickets fest. So begann das Abenteuer am selben Abend, als wir an den Westbahnhof fahren mussten, um die Abfahrtszeiten zu ändern. Überraschend erledigte sich selbiges schnell und problemlos und wir wandten uns frohgemut der Menschenmenge zu, die auf dem Bahnhofsplatz vor einem grossen Bildschirm sitzend einen Liebesfilm schaute.

Am Freitag war grosser Regen angesagt, aber ich glaubte es nicht und kam nur mit Pulli und Regenschirm auf die Mauer. Grosser Fehler. Es regnete fast die ganze Wanderung durch und hörte erst beim Abstieg wieder auf. Zurück in Beijing war die Luft weich und durchsichtig und der Himmel blau. (Man beachte auf unterem Foto das Fehlen von Menschen.)


Am Abend fuhren wir nach Datong. 大同 liegt in der Shanxi Provinz, sechs Zugstunden westlich von Beijing. Die Stadt wurde ca. 200 v.Chr. von der Han Dynastie gegründet und diente seinerzeit als Station auf der Seidenstrasse zwischen China und der Mongolei. Im Lauf der Zeit schlief das Städtchen immer wieder ein, wurde aber immer wieder "aufgeweckt". Datong ist "traditionell" bekannt für zahlreiche Kohlevorkommen und gilt als eine der Städte Chinas mit der schlimmsten Pollution. Ausserdem werden anfang Mai anscheinend alle Strassen aufgerissen, was den Verkehr während unseres Aufenthalts zu einem Hauptstörfaktor machte.

Die (Haupt)Sehenswürdigkeiten Datongs liegen alle nicht im Ort selber, sondern weit ausserhalb. So buchten wir Samstag morgen eine Tour zu den zwei Hauptattraktionen des Ortes (bzw der Gegend), und fuhren um 9 los zu einem 1500 Jahre alten buddhistischen Kloster, das in einer Felswand hängt. So eindrücklich es war, so rege besucht war es auch an diesem Tag; kurz gesagt, so rege besucht war es, dass wir es am selben Tag nicht mehr zu den Yungang Grotten schafften, sondern heimkehren mussten. Den Abend verbrachten wir vergnüglich beim Entdecken unseres bescheidenen Hotels (6 Stockwerke, 1 Toilette pro Stockwerk und 1 Dusche für das ganze Gebäude) und des Datonger Nachtlebens und sprangen am nächsten Morgen mehr oder weniger frisch aus den Federn, um vor dem Stau noch zu den Grotten zu gelangen, da der Zug zurück nach Beijing bereits am Mittag fuhr.


Besagte Grotten sind die eigentliche Hauptattraktion Datongs. Wie das hängende Kloster wurden sie um zwischen 460-525 herum "gebaut", bzw. in die Sandsteinwand skulptiert. Insgesamt 50'000 Buddhafiguren kann man jetzt in den 250 Grotten betrachten, die grösste 14 Meter und die kleinste nur wenige Zentimeter hoch.

Ein Foto der Grotten kann ich vorerst leider nicht aufladen, da sich die Verbindung zum Blog im Moment schwierig gestaltet.

5/10/2009

Das schönste Wort

In unserer allerersten Chinesischstunde im Gymnasium wurden wir von Frau Koller mit dem Sprichwort "不怕慢,只怕站。", "Fürchte dich nicht vor dem Langsamsein, sondern vor dem Stehenbleiben." empfangen. Man braucht nicht mühevoll Chinesisch gelernt zu haben, um die Bedeutung dieses Satzes zu verstehen; wir alle kennen Momente, wo uns das Langsamsein zuweilen dem Stehenbleiben zum Verzweifeln ähnlich scheint. Das Lieblingswort 慢 (màn, "langsam") begleitet mich also schon seit dem ersten Tag. Es ist eins der alltäglichsten Worte und überall anzutreffen:


In anderen Verwendungsformen geht 慢 aber über seine Grundbedeutung hinaus: mit 慢慢来 (màn màn lái, wörtl. "langsam kommen"), was ungefähr mit "sachte" oder "take it slow" übersetzt werden kann, trösten z.B. Einheimische ihre frustrierten ausländischen Freunde. 慢慢吃 (màn màn chī, wörtl. "langsam essen") sagt man während dem Essen für "guten Appetit" und "lass es dir schmecken"; und mit 慢走 (màn zǒu, wörtl. "langsam gehen") verabschiedet sich der Gastgeber vom Gast.
In diesen Ausdrücken nimmt 慢 verschiedene Anklänge auf: langsam kommt, was ohne Eile ist (und was Geduld hat/braucht), langsam isst, wer geniesst, und langsam geht, wer einen sorgenfreien und beschützten Weg vor sich hat. "Langsam" wird zu einem Attribut von "Ruhe und Frieden". Irgendwie naheliegend und irgendwie überraschend.

4/08/2009

Bekehrung

Gestern habe ich einer Jingju-Performance beigewohnt (aka: Peking Oper. Schiefe Musik, schriller Gesang, grelle Kostüme, Touristenschreck...). In einer Vorstellung von "Red Cliff", ein Stück basierend auf dem historischen Film, der diesen Winter in den Kinos lief. Überraschenderweise hat mir das ganz gut gefallen. In einem ganzheitlichen Zusammenhang wirkten Gesang und Musik weniger fremd, der Plot war spannend und grösstenteils verständlich und das (chinesische) Publikum applaudierte aktiv nach jeder längeren Arie. Und erst noch fanden Adi und ich dank Tante Ma gratis Eintritt ins grandiose National Center of the Performing Arts. Dieses Foto stammt von letztem Jahr. Innen sieht das Nationaltheater übrigens ganz anders aus als aussen und ist durchaus einen Besuch wert.

Das Wallmart-Fahrrad, das hier zu sehen ist, ist übrigens schon Geschichte. Gestohlen, während ich in Hong Kong weilte... Möge der Dieb Reichtum und Glück finden mit meinem traumblauen Eingänger.
Tante Ma gemäss soll Peking am Dienstag mt 27.5°C die wärmste Stadt Chinas gewesen sein, ein ganzes halbes Grad wärmer als Guangzhou. Ob das möglich ist? Liesse sich Berlin derart mit Lissabon vergleichen?
Auch Dienstag hab ich zum wiederholten Mal "The Catcher in the Rye" angefangen - aber diesmal auf Chinesisch. :)
Soweit für heute...

4/07/2009

Frühlingserwachen 2

Letzte Woche kam Brigitte Koller mit ihrer jetzigen Chinesischklasse in Peking an. Mit müden Schülern besuchten wir die Grosse Halle des Volkes. Donnerstag fuhren sie nach Yantai für eine Woche Schüleraustausch. Adi D., weil er die Matur schon hat, blieb allein in Peking und darf bei Tante Ma (Ma Ayi, meine Schwimmbadfreundschaft) wohnen.

Anlässlich des Qingmingjie (4.-6. April: Gräberreinigungs-Fest) besuchten wir zusammen (wieder unter der Leitung von Davis Chen) ganz im Westen der Stadt einen Eunuchenfriedhof und den Fahai Tempel mit seinen Freskos aus der Mingzeit. Weil der Tempel abgedunkelt ist, um die 500 Jahre alten Gemälde zu schützen, zerstörten die Roten Garten in den 60ern nur die Buddha-Statuen im vorderen Teil und liessen die kostbaren Malereien ungestört. Sometimes ignorance is bliss. Reiche Eunuchen bauten sich einst Tempel mit dem Gedanken, dass die Mönche im Alter für sie sorgen würden, weil sie ja keine Kinder hatten. Der sich diesen Tempel baute, hatte direkte Beziehungen zum Kaiser und soll die 15 besten Kaiserlichen Maler angestellt haben. Mit der Taschenlampe leuchteten wir uns Details wie die Äderchen am Ohr eines Fuchses heraus.

Peking (wenn das noch zur Stadt gezählt werden kann) gleicht hier einem Dorf. Auf einem grossen Markt kauften wir Papiergeld, das wir am nächsten Tag Ma Jinghua's Familie geben wollten (das ist anscheinend in Nordchina weniger gebräuchlich als in Hong Kong, wo an jeder Ecke ein Laden mit Papiergeld für die Toten steht). Wir fanden US-Dollars in Bündeln für nur 5 Yuan :)

Sonntag begleiteten wir Ma und ihren Ehemann ans Grab seiner Eltern. Der Babaoshan-Friedhof ist der grösste in Peking, und viele wichtige Männer aus Militär und Partei liegen dort zur Ruhe. Sowohl Ma's Vater wie auch ihr Mann (und sein Vater) nahmen hohe Positionen ein in der Armee. Leider ist Papiergeld verbrennen auf diesem Friedhof verboten. Mas Tochter und ihr Mann nahmen uns dann mit zu den Hutongs um den Trommelturm und ein paar traditionellen Lao Beijing Snacks. Abends fanden wir uns dann wieder für BBQ im Obiwan ein, dessen Dachterrasse nach dem langen Winter endlich wieder geöffnet hat. Und heute war es 30 Grad warm und sonnig.

4/06/2009

Frühlingserwachen

Im März begann die Sonne langsam, die Stadt ein bisschen länger und wärmer zu bestrahlen, und in den steigenden Temperaturen wachte Peking endlich aus seinem Winterschlaf auf. Die Wandervögel kehrten in den Norden zurück und vor allem (bei Vögeln kenn ich mich ja nicht so aus) wurden wieder vermehrt Touristen gesichtet an den heiligen und alten Tempeln und Palästen ringsum... Ein paar davon durfte ich persönlich kennenlernen und begleiten, und mit ein paar davon durfte ich Wiedersehen feiern. Und u.a. dank Couchsurfing gelangte ich an ein paar neue und erstaunliche Orte dieser Stadt.

Es begann mit Sebastian, der mit der Transsib aus Moskau angekommen war. Bevor er auf seine weitere Chinareise aufbrach, besuchten wir zusammen den Himmelstempel, wo wir gleich alles zu sehen kriegten, wofür Peking geliebt wird: Trainierende Senioren an den Fitnessgeräten vor dem Park; ein Regiment von Walzertänzern; Peking-Oper Solisten mit Begleitung, ein Impro-Orchester mit traditionellen Instrumenten und einen Chor, der die ganze Arkade vor dem Tempeleingang füllte... und an einem anderen Abend offenbarte uns die Wangfujing Dajie ihre Snack-Street mit Skorpions-Spiessli und anderen erschreckenden Sachen.

In den Pekinger Unis wurde die die Semaine de la Langue Française durchgeführt, in deren Rahmen die Genfer Rapband Deklin zusammen mit Accrophone aus Kanada und James Deano aus Belgien an der Beiwai Uni auftraten, wo Wei studiert. Sogar die CH-Botschaft war anwesend. Wir vertanzten den Abend (also Wei und ich) und ich verpasste um Haaresbreite die letzte Ubahn.

Mit Wilfredo nahm ich an einem Spaziergang unter dem Titel "Unique Hutongs in Qianmen Neighbourhood" teil, wo wir Einblicke in das engste, das meist-gewundene und das kürzeste Hutong in Peking erhielten, und an einem alten Zunfthaus, einer kleinen Moschee, der Zhushikou-Kirche und einem Strassenmarkt und dem alten Rotlichtviertel vorbei kamen. Die Gegend um das Qianmen bis hinunter zur alten Stadtmauer war zu Zeiten der Qing-Dynastie von der niedrigeren Gesellschaftsschicht bewohnt und die Hutongs dort sind entsprechend enger und kleiner als ihre touristisch aufgemotzten Gegenstücke um den Kaiserpalast und den Shichahai herum. Die ehemalige Handelsstrasse, die vom Qianmen nach Süden führte, wurde anlässlich der Olympiaden renoviert in einem zweifelhaften Versuch, den Reiz von früher wieder herzustellen (inkl. Touristenträmli auf 200m-Schienenstrecke). Aber abgesehen von diesem einen Missgriff strahlen die Hutongs rund herum noch viel Authentizität und Schönheit aus und halten drohenden destruktiven Baumassnahmen hoffentlich noch ein bisschen stand.

Im südlichen Chongwen Quartier befindet sich auch ein Observatorium mit jesuitischen Astronomie-Instrumenten, das auf der früheren Stadtmauer stand, das letzte Stück der alten Stadtmauer mit einer Kunstgalerie im Eckturm und das alte Delegations-Quartier mit erstaunlichen Gebäuden ausländischer Architektur und einer kleinen gotischen Kirche. Ausserdem fand ich das Pekinger Polizeimuseum, das gleich gegenüber vom Obersten Gerichtshof steht.

In der Chongwenmen Protestant Church, einem recht grossen Gebäude in einem Hutong nahe der alten Stadtmauer, hörte ich meinem ersten simultan-übersetzten chinesischen Gottesdienst zu. Lustigerweise fand ich mich auf der Ausländer-Bank neben einem Zürcher wieder. Die Kirche war gepackt voll mit etwa 300 Personen. Nach dem GD stand schon eine lange Schlange für den nächsten in der Gasse. Ich hatte den Ton der Prediger bei den Besuchen in der Zhushikou Jiaotang nicht missdeutet; der Inhalt der ewig dauernden Liturgie tendierte eher zu einer maoistischen Volks-Indoktrinierung "Schaut, dass ihr auf die Arche kommt, bevor sie voll ist! Studiert täglich mit Hingabe die Worte Jesu Christi! Betet und übt Selbstkritik!" als zu (mir näheren) nachdenklichen Textauslegungen. In der Bank vor mir schliefen ein paar Frauen ein. Bevor das Abendmahl ausgeteilt wurde, rief die Predigerin alle Ungläubigen und Ungetauften auf, die Kirche zu verlassen. Etwa die Hälfte der Besucher gingen hinaus. Stolz war ich, als ich bei einigen Liedern mitsingen konnte, obwohl sie im Liederbuch nur mit Zeichen geschrieben sind.

Davis Chen, der schon den Hutong-Trip durchgeführt hatte, organisierte einen Besuch auf den Huanghuacheng-Abschnitt der Grossen Mauer, wo sich auch die best erhaltene Militärfestung an der Mauer befindet. Das Hawk Castle wurde 1592 in der Ming Dynastie gebaut und wird bis heute bewohnt. Es soll während der Ming Dynastie Angriffen von Mongolen und vor einigen Jahrzehnten den Sovjeten standtehalten haben. Gegen letztere wurden auch rätselhafte Tunnels in die Berge ringsum gebohrt, als China Schutzvorkehrungen für den Fall eines Atomkriegs traf.

3/07/2009

Macau

Obwohl ich nur für eine Tagesreise nach Macau übersetzte, muss ich an dieser Stelle eine kleine Hymne auf diese kleine Stadt loslassen. Macau trägt seit dem 16ten Jahrhundert Spuren portugiesischer Besiedlung, und weil es sich im Gegensatz zu Hong Kong nie so sprunghaft entwickelt hat, steht die ganze Altstadt mit einer Festung, einer ganzen Menge Kirchen und einem alten protestantischen Friedhof noch in ganzer kolonialer Pracht. Von Macau aus begann Portugal den Handel mit China, lange bevor England kam und mit seinem Opium alles durcheinander brachte. In Macau sind auch die ersten Spuren von Missionaren und vom Aufeinandertreffen christlicher und asiatischer Kultur zu finden. Besonders schön manifestiert sich das in der Haupt-Touristen-Attraktion der Stadt, der Fassade der St. Paulus Kirche.


Und dann sind da natürlich noch die Casinos... Nach vielen Stunden hin und her durch die Gässchen und Plätzchen der Stadt schaute ich kurz vor der Abreise noch ins Casino Lisboa hinein, aber zum Spielen reichte die Kühnheit nicht. Und so flitzte ich müde mit der Fähre zurück nach Hong Kong Island.

Hong Kong

Vor etwa einem Monat schritt ich in Shenzhen über die Grenze ins Gelobte Land Hong Kong, und fand mich erstmal im Grünen; und da blieb ich auch, als ich zur Familie Brandner an der Chinese University of HK fand, die mich gastfreundlich für die folgenden drei Wochen aufnahm. Die Universität befindet sich ausserhalb der Stadt in den New Territories, die mit den Outlying Islands zusammen den allergrössten Teil von Hong Kongs Landesfläche ausmachen. Die urbane Fläche beschränkt sich auf 7% des Territoriums. Aber was für 7%!

Ich genoss erstmal eine Woche belangloses Herumbummeln durch die gedrängten Gassen Kowloons und zwischen den gedrängten Wolkenkratzern auf Hong Kong Island. Ja, es ist wahr, alles ist wie auf den Postkarten und in den Filmen, und noch viel besser. Auch wenn mir die Stadt zuerst Angst gemacht hatte: Hong Kong ist die perfekte Mischung zwischen traditionellem Chinesentum und moderner Infrastruktur; eine saubere und effiziente U-Bahn, Kantonesisch, Mandarin und Englisch überall zu hören, Sicherheit, Religionsfreiheit, Medienfreiheit, Tempelwahrsager, Cheongsams als Souvenirs und die allgegenwärtige Verherrlichung des Geldes (An den Strassenecken und in der U-Bahn kann man den Börsenkurs verfolgen). Alles ist so kompakt, dass man ebenso schnell ins Gewühl getaucht wie hinaus ins Grüne enthüpft ist, und ich zelebrierte einmal mehr die Wiederentdeckung von Düften und Pflanzen und Tieren und Hügeln (gibts ja in Peking auch ... wenn man 2 Stunden hinausfährt; ansonsten ist es da vor allem flach, grau und trocken). Meine Beziehung zu Beijing zerfiel zu Wüstenstaub in diesem völlig vergessenen Klima der Selbstverständlichkeit, Unkompliziertheit und Vertrautheit.

Brandners päppelten mich lieb mit Schweizerdeutsch und Zopf. Eine Schweizer Familie in den Tropen, allzu fern liegt der Vergleich zu der Côte d'Ivoire ja nicht, und alles hier wollte mich an alles dort erinnern, bis zu Details wie der trächtigen Katze, die drei so kleine herzige Kätzli gebar, und den Mangos am Morgen und und und. Schon seit 12 Jahren lebt die Familie in Hong Kong. Tobias arbeitet für die Mission 21 als Gefängnispfarrer und unterrichtet an der CUHK. Hier ist ein Link zu einer Reportage vom Schweizer Fernsehen über seine Arbeit. Er nahm mich einmal mit zu einem Gottesdienst in einer sehr jungen Gemeinde, wo er auf Kantonesisch über seine Arbeit erzählte. Christentum scheint in zu sein in Hong Kong. Seine Frau Gabi kümmerte sich lieb um mich und half mir, mich in der Stadt und mit meiner inneren Verwirrtheit zurecht zu finden. Sie stellte mir die lokale Unart vor, Kaffee mit Tee gemischt als Getränk zu geniessen, und werweisste mit mir über Wolkenkratzer mit Seesicht.

Durch sie hatte ich während meinem Aufenthalt auch Gelegenheit, etwa 10 Tage in einem Aufnahmezentrum zu arbeiten für Haushelferinnen aus Indonesien, die mit ihrem Arbeitsgeber in einem Gerichtsstreit stehen und darum obdachlos sind (denn die Hausangestellte lebt mit der Familie zusammen); Im Shelter, der von der Mission 21 mitfinanziert wird, finden sie ein Bett und Unterstützung bei der Suche nach einem Anwalt. Ich durfte Englisch Unterricht geben (Lieder singen) und zweimal haben wir Muffins gebacken. Ansonsten hab ich vor allem den Geschichten der Frauen und der zwei lieben Leiterinnen (auch zwei Indonesierinnen) zugehört. Einfach aufnehmen...

An meinem letzten Tag in Hong Kong wanderte ich auf der Insel Lantau an einem Riesenbuddha und einem Nonnenkloster vorbei und traf - last but not least - zwei Couchsurferinnen zum z'Nacht, die so kurz vor meiner Abreise doch noch ein paar freie Stunden in ihrem Kalender gefunden hatten. Eine Freundin von ihnen gab mir in meinen letzten Stunden gar noch eine Führung durch die verschiedenen Campusse der Uni; Es stellte sich heraus, dass sie am selben Ort wie Tobias arbeitet... so klein ist die Welt auch in Hong Kong.

3/05/2009

Ein schwarzer Töff

Heute ging ich auf dem Weg zum Supermarkt an einem schwarzen Mofa vorbei mit der Aufschrift "Tibet is a part of CHINA". Beeindruckt ob des kriegerischen Statement begannen ein paar Gedanken in meinem Kopf herum zu flitzen. Einerseits bin ich hier in China bisher noch nie Slogans oder Statements, die nicht vom Staat herausgegen worden wären (das sind dann so grosse rote Spruchbänder, die zu guten Betragen auffordern), begegnet, geschweige denn Graffiti oder sonstwie öffentlichen Meinungsäusserungen zu Themen politischer Natur (ausser in Hong Kong und Macao). Andererseits ist von Meinungsäusserungen zu Themen politischer Natur (auch weniger plakativer Art) hier generell eher gering zu hören.

Meine chinesischen Sprachkenntnisse haben noch nicht das Niveau, das zu differenzierten Debatten notwendig wäre, erlangt; das wichtigste Wort des post-maoistischen Chinas haben wir aber in einer der ersten Lektionen gelernt: 改革开放, die "Open Door Policy", die sich ja dieses Jahr zum 30sten Mal jährt, war in meinen fünf Monaten hier das meistgehörte Worte im Gespräch mit Taxifahrern, Mitreisenden, Studenten und sonstigen Gelegenheitsbekanntschaften. Viele Bewohner Chinas mögen ebensowenig Interesse an Politik zeigen wie die bekannte schweigende Mehrheit der Schweizer Bevölkerung (seien die Gründe dafür auch verschieden); Für Deng Xiaopings Öffnung Chinas haben alle erstmal ein gutes Wort übrig. Viele wissen gar nicht viel mehr, und es interessiert sie auch nicht gross. Ausserdem kann die Regierung zu kritisieren immer noch ein Gesundheitsrisiko darstellen, also redet man nicht gross drüber. Wer solche Kritikpunkte wüsste, steht bildungsmässig über dem Durchschnittsniveau und hat meist auch mal Kontakt zur Aussenwelt gehabt, und das sind, bezieht mans auf die Bevölkerungszahl des Landes, nicht viele. Wer dann, wie der grössere Teil dieser Bevölkerung, seine Quellen auf Xinhua und CCTV beschränkt, kommt notwendigerweise zu einem verzerrten Bild der Tatsachen. Mein Sprachpartner Yangyang erklärte mir in ziemlich knappen Worten zu den jeweiligen Themen Tibet, Taiwan und Hong Kong - es klang ganz im Sinne der KPCh bzw unserer Motorradaufschrift. Auch der Hass gegen Japan ist immer noch verbreitet. Ein anderes Mädchen freute sich letztes Jahr über die OG, dass das "für China eine gute Gelegenheit sei, sich der Welt vorzustellen". Was sie damit meinte? Ich bezweifle, dass sie selber sich dazu grosse Gedanken machte (bzw. daran gedacht hätte, sich zu ihrer persönlichen Meinung grosse Gedanken zu machen). Warum auch? Im Süden heisst es "China ist gross und Peking ist weit". Das heisst, man redet da ein bisschen offener darüber als im Norden. Aber auch in Peking selber, das durch seine Ausgedehntheit und die in sich geschlossene Wohnhof-Struktur immer noch eher eine dörfliche als eine Grossstadt-Atmosphäre ausstrahlt, lässt sich ganz gut im "Höfli" leben ohne von Politik tangiert zu werden oder derartigem öffentlichen Leben tangiert zu werden.

Die Haltung der Menschen ist also grösstenteils eher "Ich halt mich raus", oder kühn "Ich schimpfe ein bisschen, aber ich halt mich raus". Die Regierung hat ja im Laufe der Geschichte einige Male klargestellt, dass sie vom Volk genau das erwartet. Die einigen aber, die aus dem Haufen herausstechen mit Forderungen an die Regierung bez. Menschenrechten und Demokratie leben unangenehm. Wie restriktiv das Klima auf dem Festland tatsächlich ist, fiel mir erst bei der Begegnung mit einem Hong Konger auf dem Heimweg nach Peking auf. Nicht, weil ich in ihm endlich einen Chinesen gefunden hatte, der seinem Land endlich die Meinung sagte; einfach, weil das Gespräch sehr viel unverspannter lief, als die ewiggleichen "My first talk to a foreigner"-Dialoge. Oder lag es doch nur daran, dass er in Amerika gewesen war und Englisch sprach, wohingegen die bisherigen Zug-Bekanntschaften Arbeiter aus Jiangsu und betrunkenen Poeten aus Shandong gewesen waren? Wahrscheinlich. Er wusste übrigens eine interessante Art, den Unterschied zwischen der östlichen und der westlichen Kultur zu erklären. Mehr dazu später...

3/03/2009

Zurück in Beijing

Seit einer Woche bin ich jetzt schon von meiner langen Reise zurück in der Hauptstadt, und seit gestern hat das Semester auch schon wieder angefangen. Die zwei-fast-drei Wochen in Hong Kong waren voller Erlebnisse und Eindrücke, von denen ich bald berichten will, aber die allerletzten Ferientage in Beijing musste ich mich erstmal sortieren & ausruhen. Nach einem leicht erschütterlichen Gang mit dem Lappen zeigt sich jetzt auch das Wohnumfeld von einer anständigen Seite, und die alte manuell bediente Waschmaschine hat mich schon ganz mit ihrem Charme und ihren Fuseln umgarnt. Die Liftdamen (ja, Sie lesen recht, hier in China weiss man noch, was Luxus ist) beschenken mich allmorgendlich mit ihrem Lächeln, und ich freu mich auf die letzte Hälfte Schulzeit in meinem lieben Peking.

2/17/2009

Hangzhou (29. Januar bis 2. Februar)

Von Yantai musste ich schon nach drei Tagen wieder los, mit der letzten Couchette, die von der kommenden Woche noch gefunden ward. Die Familie verabschiedete mich so herzig, dass ich mir ganz schlecht vorkam, weil ich mich drei Tage lang nur hatte verwoehnen lassen. Bei jedem Nachpruefen, ob ich auch wirklich genug zu essen dabei hatte, packten sie mir noch mehr ein, bis ich wirklich keinen Platz mehr fuer mehr Aepfel, Wuerste (die in ihrem duennen Plastiksack meinen ganzen Rucksack dauerhaft parfuemierten), Mianbao (Brot) und Fertignudeln uebrig hatte. Die 28 Stunden-Fahrt nach Hangzhou (suedl. von Shanghai) war der laengste Streckenabschnitt.

Ich hatte vier Tage vorher die letzte Couchette, ganz oben im hintersten Abteil des letzten Zugwagens gebucht und beging die Reise frohen Mutes. Schlimmer als neben der Latrine auf dem Koffer zu sitzen (wie ich die halbe Strecke nach Yantai verbracht hatte) konnte keine Zugfahrt in China mehr werden. Die Couchettenfahrt erwies sich aber dank eines trinkenden Philologen, der mir erst redender und anschliessend schnarchenderweise die Ruhe stahl, als kaum angenehmer als wenn ich sitzenderweise gereist waere. Vor dem Zugfenster beobachtete ich den langsamen Wechsel Landschaft; die roten Neujahrslampions und Tuerrahmenverziehrungen stachen aus dem vorherrschenden Graubraun der Haeuser und Felder heraus, und in der Nacht sah ich gelegentlich noch Feuerwerke in der Ferne. Am naechsten Morgen waren wir in Shanghai, und es regnete. Alles war immer noch flach, aber immerhin ein bisschen gruener als im kahlen Norden.

Im letzten "Doerfchen" vor Hangzhou stieg ich aus, wo Freunde von Jiangs mir vorzeitig ein Billet fuer Guangzhou gekauft hatten. Sie zeigten mir Haining, ein verschlafenes Nest von etwa 600'000 Einwohnern, und fuehrten mich zum Ufer des Qiantang Fluss, wo eine Wassermauer den Fluss heraufdonnerte, ein Phaenomen das nur etwa zweimal im Monat, zu Voll- und Neumond so deutlich sichtbar vorkommt. Mao Zedong selber soll ebenfalls einst dortgestanden und dazu etwas Grandioses geaeussert haben. Wir passierten auch charming Yanguan (eine enspanntere Miniversion Suzhous) und warfen einen Blick in das groesste Lederoutlet der Welt - eine riesen Shoppingmall voller Lederartikel aller Art, frisch von der Fabrik. Ein Magnet fuer Russen und Chinesen gleichsam (obwohl letztere oft aus buddhistischen Gruenden nicht kaufen, zumindest laut meinem Fuehrer Zhang).

Am Abend kam ich todmuede (der Zustand soll sich noch lange halten) in Hangzhou an und fand in Kristina von couchsurfing.com eine vortreffliche Gastgeberin. Die naechsten Tage schliefen wir morgens lang aus und trafen uns abends wieder zum Kochen, langen Diskussionen ueber Gott, Buddhismus und Tibet, das sie auf eigene Faust schon mehrmals bereist hat, und zum "Rome" schauen. (Zudem machte sie mich mit dem lonely planet-Backstein ueber China bekannt. =) In Suedchina sind die Winter paradoxerweise haerter als im Norden, weil die Haeuser nicht mit Heizungen ausgestattet sind. In Kristinas Wohnung war es eisig, ich musste mehr anziehen als in Yantai oder Beijing, und die Kleider, die ich dort wusch, trockneten teilweise erst in Hong Kong ganz fertig.

Hangzhou hat eine der beruehmtesten Sceneries Chinas: ein Sprichwort sagt “上有天堂 - 下有苏杭”, das heisst "Im Himmel ist das Paradies - auf Erden sind Suzhou und Hangzhou". Die Huegel im Suedwesten der Stadt sind bebaut mit Pagoden und Tempeln aus den verschiedensten Epochen und von den verschiedensten Herrschern und Kaisern, und am prachtvollen West Lake mit den herzigen Inselchen baute sich mancher Beamter, Fuerst und Dichter ein Anwesen, einen Pavillon oder ein Dammweglein am See entlang (oder gleich ueber den See) zum Promenieren. Nicht umsonst heisst der chinesische Begriff fuer eine harmonische Landschaft “有山, 有水”, "mit Bergen und Wasser". Die Stadt ist zu jeder Jahreszeit gepackt mit Touristen aus ganz China, auch im Winter, weil das fuer viele Chinesen dank Fruehlingsfest die optimalste (einzige) Reisezeit darstellt. Der Westsee ist gespickt mit Booten, die Ufer dicht bevoelkert und bis tief in die Huegel schwaermen die schwatzenden Reisegruppen, um einen Blick auf die Longjing-Teefelder zu werfen. Hangzhou ist auch beruemt fuer Seide, und die Schoenheit der Frauen soll landesweit bekannt sein.

Nach drei Tagen zog ich von Kristina los, die Wuerste und den Rest des sauren Changyu-Wein aus Yantai zuruecklassend. Im Zug tauschte ich als erstes mein Sitz-Billet in eine Couchette um. Diesmal waren keine harten Betten in 6er Abteilen, nur weiche in 4er zum doppelten Preis uebrig. So goennte ich mir eine fast bequeme Fahrt nach Guangzhou, wo ich gleich den naechsten Zug nach Shenzhen nahm. Zufaellig rief die Kanada-Basis an, so konnten sie ueber Google Earth gemeinsam mit mir ueber die Grenze nach Hong Kong.

2/05/2009

Yantai

Fuer das Fruehlingsfest reiste ich am 24ten Januar von Peking teils stehend, teils sitzend ins 18 Zugstunden entfernte Yantai. In dieser vertraeumten Hafenstadt in der Shandong Provinz, am oestlichsten Spitzlein Chinas gelegen, lernte ich auf der Chinareise im Fruehling 2007 im Rahmen eines kurzen Schueleraustausches Jiang Suyu, meine erste Festland-Freundschaft kennen. Wir hatten ein freudiges Wiedersehen nach knapp zwei Jahren, und ich durfte entspannte drei Tage mit der ganzen Familie verbringen. Das Fruehlingsfest wird traditionell mit der Familie gefeiert. Am 25ten kamen Grosseltern, Onkel, Tante und Cousine im Hause Jiang zusammen, und dadurch, dass ich diesmal mit allen direkt kommunizieren konnte, konnte ich viel unmittelbarer am Geschehen teilnehmen. Tatsaechlich hatte ich nur mit dem starken Yantai-Dialekt des Grossvaters ein bisschen Muehe. ;)

Das Sylvestermenu war sehr vielfaeltig und alles hausgemacht. Natuerlich war sehr viel Seafood dabei, darunter riesige Crevetten, viel Fisch, Muscheln, viel Gemuese ... und fettige Schweinsfuesse als einziger "no-go" fuer mich (was einigen Verwandten, die in den naechsten Tagen vorbei kamen ganz unverstaendlich erschien). Das Feuerwerk-Gekrache in den Strassen, das schon am Nachmittag begonnen hatte, wurde im Verlauf des Abends immer lauter und nach dem Essen taten wir das unsere dazu: Der Vater hatte eine Art ueberdimensionale Frauenfuerze und wahrhaft laute Knaller gekauft, beide werden traditionell zur Abwehr boeser Geister losgelassen. Wir hatten aber auch ein paar schoene Raketen und grosse bengalische Zundhoelzer. Danach verabschiedeten sich die Gaeste auch bereits. Ich half der Mutter bei den Jiaozi fuer den folgenden Morgen. In die Dumplings werden Muenzen, Erdnuesse oder eine Mehlbeere gesteckt, die dem drauf beissenden Glueck (bzw Geld, bzw Gesundheit) im neuen Jahr bringen sollen. Anschliessend war Fernsehschauen bis 12 angesagt, das ist auch schon Tradition. Auf dem nationalen Fernsehsender lief die nationale Neujahrsshow mit einem bunten Unterhaltungsprogramm. Vielleicht, weil die Chinesen sich nicht gewoehnt sind, so lange aufzubleiben? Auch die Feuerwerke, wenn ich sie auch auf meiner ganzen Fahrt bis Hong Kong noch allabendlich sehen und hoeren sollte, verstummten spaetestens um 12.

Am 26ten, dem Neujahrsmorgen, fand ich gleich dreimal eine Muenze in meinen Jiaozi. Die obligate Bemerkung zu den Schweizer Banken musste folgen. :) Ich kann nur hoffen, dass sich das Orakel bewahrheitet (fuer mich, nicht fuer die Banken). Jiang Suyus Vater machte sich frueh auf zu traditionellen Hausbesuchen bei Freunden, Arbeitskollegen und Verwandten, Jiang Suyu nahm mich auf dem Weg in den Park zum Besuch einer befreundeten Familie, wo ich sogar einen Hong Bao zugesteckt bekam, ein rotes Couvert mit Geld fuer die juengere Generation ...

Die Zeit in Yantai verbrachte ich mehrheitlich gemuetlich zu Hause, mit ein paar Spaziergaengen an der Seaside, wo sich ein paar alte europaische und amerikanische Handelsgebaeude befinden, die schoene Mondbucht und einige Parks. Jiang Suyus Mutter zeigte mir ihr Rezept fuer Jiaozi Fuellung und ich durfte mit ihr gemeinsam kochen. Am 28ten morgens fuhr ich auch schon weiter nach Hangzhou, eine Stadt im Umkreis Shanghais. Dies war das letzte hard sleeper Billet, das fuer die naechsten Tage noch erhaeltlich gewesen war. Von Stehplaetzen hab ich erst mal genug...
*

1/24/2009

Umzug und Auszug

Vor einer Woche bin ich also umgezogen. Jetzt wohne ich 800 Meter von der Uni entfernt gleich oben an der Dawanglu-Ubahnhaltestelle im 9ten Stock, mit Sicht nach Süden über eine grosse Kreuzung. Neben mir steht die Deutsche Bank, darunter das Shin Kong Place Shoppingcenter, weiter hinten die Piazza Italiana und auf der anderen Seite eines der vielen 1000 Soho-Gebäude Pekings. Ich bin also sozusagen umzingelt von Globalisierung und infiltriere mich als Teil davon nun selber in dieses kleine chinesische Höflein. Da hat es ein paar Lädeli, ein paar öffentliche Telefone und ein paar Schinken an den Bäumen. Und zwei Liftdamen, die abwechselnd die Knöpfe drücken, bis um Mitternacht, von da an muss man Treppen steigen.
Weil bereits bewohnt (von einem Amerikaner) ist die Wohnung auch in einem ganz reinlichen Zustand (was nach fremder Leute Mieterfahrung nicht selbstverständlich ist). Ich habe ein Zimmer, eine Küche, ein Bad und eine Sonnenterrasse. Das ist vom Isolationseffekt her ganz angenehm. Bin gespannt, ob's im Sommer dann auch so funktioniert oder ob ich im Gegenteil dann einfach geröstet werde.

Kaum eingerichtet, mach ich mich wieder auf Reisen: geplant ist, das Frühlingsfest in Yantai (Shandong) zu verbringen, wo mich meine Gastschwester von der letztjährigen Chinareise eingeladen hat. Danach für einen kurzen Ticket-technischen Aufenthalt nach Hangzhou (Zhejiang) (Umsteigebillets gibts nicht, man kauft vom Ort der Abfahrt zum Ort der Ankunft, 1 way, direct), bevor ich nach Hong Kong gelange. Wie sich alles abspielen wird und wo ich am Ende lande folgt spätestens Ende Februar. Bis dahin: Frohes Frühlingsfest am 26ten Frohes Jahr des Ochsen!

1/14/2009

Frieren in Harbin

Ich weiss nicht, woran es lag. Wir hatten die Reise nach Harbin schon fast einen Monat im Sinn, drei Tage vor Abfahrt aber noch nichts als dieses Datum weiter "geplant". Nach 40 Minuten Anstehen in Wind und Kälte (gedämpft durch meine neue Daunenjacke) an jenem Freitag, 9. Januar, erlitt dann unser Traum beinahe eine Bruchlandung, als der Verkäufer Stehplätze für Samstag, 10. als einzige freie Zugbillete für die nächste Woche verkündete. Denn wie bereits früher erwähnt, ist bald Frühlingsfest: Ein jeder Chinese, der es vermag, feiert bei seiner Familie zu Hause. Diese Tatsache, und welche Bedeutung sie für die Belegung des öffentlichen Verkehr hat, ging uns ein bisschen spät auf (sh. auch den Wikipedia Artikel, 3. Abschnitt zuoberst) und liess uns kurz zögern.

Sonntag Morgen um 6:00 Uhr aber fanden wir uns zu dritt am Beijing Zhan zusammen und warfen uns ins Gewühl. Wir fanden uns als Sitzlose nicht allein, jedoch allein als Laowai (Fremde, oder nach dem Erstjahres-Chinesischbuch: "international guests") unter zu recht verwunderten Chinesen, die sogleich untereinander zu fachsimpeln begannen. Die nächsten sechs Stunden verbrachten wir auf unseren Koffern sitzend, Carolina verteidigte heroisch ihren Viertel-Quadratmeter mitten im Zugkorridor, während Reona und ich bei einer Wagentür mit Fenster fast Abteil-Qualität genossen. Für die letzten vier (bzw zwei) Stunden ergatterten wir gar echte Sitzplätze, nicht ohne Hilfe unserer neugierigen Mitfahrer, denen wir den Dienst zurück taten und geduldig alle Fragen, die ihnen zu Fremden, Englisch, Schweizer Banken und Familienpolitik (Ihr dürft einfach so viele Kinder haben, wie ihr wollt?) beantworteten. Die Thermometeranzeige liess uns nach Eindunkeln unser Fortschreiten in die mandschurischen Territorien des Landes verfolgen, bei -20 stiegen wir aus, gestärkt von der freundschaftlich geteilten letzten cup noodle soup ("We can share"). Die Fahrt war immerhin preiswert gewesen, keine 25 Franken für 1000 Kilometer Distanz.
In Harbin versuchte gleich der erste Taxifahrer uns zu bescheissen, und das wiederholte sich ausgesprochen mühsam bei ausnahmslos allen Taxifahrern in den nächsten drei Tagen. Das nicht-50-Yuan-entfernte Hotel lag nahe an einem Spiessli-Laden, wo wir z'Nacht assen (was sich ebenfalls dreimal wiederholen soll), bevor wir 累死了 - todmüde zu Bett sanken.

Harbin ist Hauptstadt der Provinz Heilongjiang, ganz im Nord-Osten Chinas, etwas höher noch als die russische Hafenstadt Wladiwostok (im Osten). Als Station der Transmandschurischen Eisenbahn gibts hier auch einiges an Spuren der kyrillischen Nachbarn zu sehen. Mit 5 Mio Einwohnern eher klein. Die Temperatur beträgt im Winter durchschnittlich -16° C. Weil im Winter noch mit Kohlen geheizt wird, sind die Strassen der Stadt schwarz, und die Böden in den Häusern auch (wenn sie nicht ständig gefegt werden). An windstillen Tagen ist der Smog noch undurchdringlicher als in Beijing. Hauptattraktion ist das jährliche, ein bis zwei Monate dauernde "Harbin International Ice and Snow Sculptures Festival" (hier zu fremden Fotos), das drei teure Eintritte in den Disney-Park in der Stadt (das haben wir uns dann doch nicht zugemutet) und die Schnee-Skulpturen-Ausstellung und "Ice and Snow World Exhibition" auf der Sun Island vor der Stadt beinhaltet. Des weiteren gibt es die zentrale Einkaufsstrasse Zhong Yang Dajie und die russisch-orthodoxe Sophienkathedrale (Shafeiya Jiaotang) zu besichtigen. Ausserdem kann man auf dem gefrorenen Songhua Jiang Schlittschuhlaufen, sich auf Skis von einem Auto herumziehen lassen, und Hundeschlitten oder Pferdekutsche fahren.

In zwei Tagen beschauten wir den Grossteil der Stadt und die Skulpturen auf Sun Island. Zunächst einmal war es wirklich eindrücklich, was sie da aus Schnee und Eis so zusammengezimmert haben, z.T. über 30 Meter hohe Skulpturen und Gebäude. Obwohl das Festival schon über eine Woche läuft, war der Schneepark noch nicht ganz fertig, und man konnte den vielen Arbeitern auf den grossen Schneeblöcken beim Gestalten zuschauen. Die Ice and Snow World zeigte etwa 50 Gebäude aus der ganzen Welt, v.a. Europa, Kanada und ein paar wenige aus China und Japan. Das diesjährige Thema sind die Universiaden, Studenten-Weltsportspiele, die dieses Jahr ebenfalls in Harbin ausgetragen werden. Doch wie alles, was in China Besucher anzuziehen verspricht, war auch dieser Ort auf inländische Gruppentouristen ausgerichtet (die auch 90% der Besucher ausmachten). Im Schneepark standen gigantische Schneeskulpturen zu völlig willkürlichen Themen in wiederum völlig willkürlicher Reihenfolge zur Besichtigung (Besteigung, Betretung), alles in Themenpark-Atmosphäre gehalten. Die Gebäude in der Snow and Ice Ausstellung waren zwar vielfältig in Auswahl und Gestaltung, die Erläuterungen dazu aber nicht sehr aufschlussreich ("Typical Norwegian Church", "Typical Canadian Castle"); dazwischen liess sich auch immer wieder eine "Typical European Architecture Creation" finden.

Mehr als die Sehenswürdigkeiten hat uns das Essen gefallen, preiswerter und oft besser als in BJ. Und das Harbin Bier, das im Vergleich zum Yanjing Pijiu und dem Qingdao/Tsingtao aus Shandong (obwohl das ja von Deutschen gegründet sein soll) einen richtigen Geschmack hat. Wir schliefen jede Nacht etwa 10 Stunden, wohl wegen der ungewohnten Kälte. Am dritten Tag gingen uns die Sights aus und wir bummelten uns durch bis zur Heimfahrt, die wir königlich auf den Hotel-gebuchten Couchetten verbrachten (alles scheint königlich neben Stehplätzen). Zurück in Beijing freuten wir uns der warmen 0° Temperatur und waren erleichtert, wieder "zu Hause" zu sein.
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1/08/2009

Happy 牛 Year

Es ist 2009 und Zeit, meinen Neujahrsvorsatz betr. Regelmässigkeitsbloggen einzulösen, bevor er schon wieder gebrochen ist. Die Neujahrsnacht hab ich erkältet im Studentenheim verbracht. Das war angenehm ruhig, weil alle Zentralasiaten (-stan, Russland etc), mit denen ich das Gebäude teile, endlich einmal auswärts feiern gingen und die übliche Wochenends-Party mit durch die Flure dröhnenden amerikanischen Weihnachtsliedern oder russischen und arabischen Charts ausnahmsweise nicht stattfand.
(Lustig, dass es mir leichter fällt, mich mit einer fernöstlichen Kultur zu verständigen, die von unserer westlichen Welt so lange Zeit abgeschottet war, als mit einer nicht-ganz-so-ferne-aber-auch-asiatischen. Woran es liegen mag? Dass es Muslime sind? Dass sie russisch reden? Dass sie hier auch nicht in ihrer Heimat sind und deshalb anders handeln, als wenn ich sie in ihrem eigenen Land ... die Gründe mögen für immer verborgen bleiben und sind dermassen marginal, dass ich euch von weiteren Erwägungen verschonen werde.)
Das neue Jahr fing sonnig und windig an, und ist es bis heute, und ändert sich voraussichtlich auch nicht, ich habe meine Bücher hervorgenommen und durchgelernt, die Abschluss-Prüfungen geschrieben, die fleissigen Japaner endlich! zu guter Letzt noch um ein paar Punkte geschlagen und daneben den ersten grossen Teil der Verlängerung meines Maturarbeits - 话剧 - Dramas vollendet.
Des weiteren solls ab Sonntag Abend für ein paar Tage nach der Eisstadt Harbin gehen, wofür ich nun endlich eine entsprechende Jacke gekauft habe (was schon länger auch für hier in Beijing fällig gewesen wäre). Die Semesterferien dauern bis 22ten Februar, geplant ist ein Besuch in Yantai für das Frühlingsfest (26. Jan) und eine grosse Fahrt nach Hong Kong. Das kommende chinesische Jahr steht im Zeichen des Rindes, Niu, was zum titelgebenden Wortspiel geführt hat. Der chinesische Humor besteht meiner Erfahrung nach einerseits aus eher kindlichen Witzen, andererseits aus wirklich lustigen Wortspielen, dazu
will ich später mal schreiben.
Am Dienstag war ich Schlittschuh laufen auf dem Qianhai (vor Houhai) und hab auch gleich zwei Mädchen neu aufs Eis gebracht. Wie bereits mit Christina observiert, die die gleiche Erfahrung in Kanada gemacht hat, stellen sich Südamerikaner als ausgesprochen talentiert fürs Eis heraus. Wobei zu beachten ist, dass Carolina, wie sie eben bemerkt hat, nicht (nur) Südamerikanerin, sondern Columbianerin ist. Für das Natureis kostete das Ticket 5 Kuai, 80 Rappen, und 20 Kuai für die Schlittschuhmiete. Es gab aber auch Velos und eine Art Schul-Gestühl-Schlitten zur Auswahl. Die Stimmung war gut, gemütlich, diese typische, fast dörfliche Beijing-Atmosphäre. Neben den üblichen Variationen an Fortbewegungstechniken gabs Eisschwimmer, Hunde und einen Eisschlitten mit diesem Tier (???) zu sehen. Und Zuckerwatte. Und die Szenerie der alten Häuser rundum vollendeten den Glanz dieses schönen Wintertags. 先到这里。Soweit für heute.
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