3/07/2009

Hong Kong

Vor etwa einem Monat schritt ich in Shenzhen über die Grenze ins Gelobte Land Hong Kong, und fand mich erstmal im Grünen; und da blieb ich auch, als ich zur Familie Brandner an der Chinese University of HK fand, die mich gastfreundlich für die folgenden drei Wochen aufnahm. Die Universität befindet sich ausserhalb der Stadt in den New Territories, die mit den Outlying Islands zusammen den allergrössten Teil von Hong Kongs Landesfläche ausmachen. Die urbane Fläche beschränkt sich auf 7% des Territoriums. Aber was für 7%!

Ich genoss erstmal eine Woche belangloses Herumbummeln durch die gedrängten Gassen Kowloons und zwischen den gedrängten Wolkenkratzern auf Hong Kong Island. Ja, es ist wahr, alles ist wie auf den Postkarten und in den Filmen, und noch viel besser. Auch wenn mir die Stadt zuerst Angst gemacht hatte: Hong Kong ist die perfekte Mischung zwischen traditionellem Chinesentum und moderner Infrastruktur; eine saubere und effiziente U-Bahn, Kantonesisch, Mandarin und Englisch überall zu hören, Sicherheit, Religionsfreiheit, Medienfreiheit, Tempelwahrsager, Cheongsams als Souvenirs und die allgegenwärtige Verherrlichung des Geldes (An den Strassenecken und in der U-Bahn kann man den Börsenkurs verfolgen). Alles ist so kompakt, dass man ebenso schnell ins Gewühl getaucht wie hinaus ins Grüne enthüpft ist, und ich zelebrierte einmal mehr die Wiederentdeckung von Düften und Pflanzen und Tieren und Hügeln (gibts ja in Peking auch ... wenn man 2 Stunden hinausfährt; ansonsten ist es da vor allem flach, grau und trocken). Meine Beziehung zu Beijing zerfiel zu Wüstenstaub in diesem völlig vergessenen Klima der Selbstverständlichkeit, Unkompliziertheit und Vertrautheit.

Brandners päppelten mich lieb mit Schweizerdeutsch und Zopf. Eine Schweizer Familie in den Tropen, allzu fern liegt der Vergleich zu der Côte d'Ivoire ja nicht, und alles hier wollte mich an alles dort erinnern, bis zu Details wie der trächtigen Katze, die drei so kleine herzige Kätzli gebar, und den Mangos am Morgen und und und. Schon seit 12 Jahren lebt die Familie in Hong Kong. Tobias arbeitet für die Mission 21 als Gefängnispfarrer und unterrichtet an der CUHK. Hier ist ein Link zu einer Reportage vom Schweizer Fernsehen über seine Arbeit. Er nahm mich einmal mit zu einem Gottesdienst in einer sehr jungen Gemeinde, wo er auf Kantonesisch über seine Arbeit erzählte. Christentum scheint in zu sein in Hong Kong. Seine Frau Gabi kümmerte sich lieb um mich und half mir, mich in der Stadt und mit meiner inneren Verwirrtheit zurecht zu finden. Sie stellte mir die lokale Unart vor, Kaffee mit Tee gemischt als Getränk zu geniessen, und werweisste mit mir über Wolkenkratzer mit Seesicht.

Durch sie hatte ich während meinem Aufenthalt auch Gelegenheit, etwa 10 Tage in einem Aufnahmezentrum zu arbeiten für Haushelferinnen aus Indonesien, die mit ihrem Arbeitsgeber in einem Gerichtsstreit stehen und darum obdachlos sind (denn die Hausangestellte lebt mit der Familie zusammen); Im Shelter, der von der Mission 21 mitfinanziert wird, finden sie ein Bett und Unterstützung bei der Suche nach einem Anwalt. Ich durfte Englisch Unterricht geben (Lieder singen) und zweimal haben wir Muffins gebacken. Ansonsten hab ich vor allem den Geschichten der Frauen und der zwei lieben Leiterinnen (auch zwei Indonesierinnen) zugehört. Einfach aufnehmen...

An meinem letzten Tag in Hong Kong wanderte ich auf der Insel Lantau an einem Riesenbuddha und einem Nonnenkloster vorbei und traf - last but not least - zwei Couchsurferinnen zum z'Nacht, die so kurz vor meiner Abreise doch noch ein paar freie Stunden in ihrem Kalender gefunden hatten. Eine Freundin von ihnen gab mir in meinen letzten Stunden gar noch eine Führung durch die verschiedenen Campusse der Uni; Es stellte sich heraus, dass sie am selben Ort wie Tobias arbeitet... so klein ist die Welt auch in Hong Kong.