12/25/2008

Es ist Weihnachten!

Gestern war Heiligabend. Ich habs erst am Mittag gemerkt. In einer eiligen Stadt, in der diese westlichen Bräuche erst allmählich durch die Läden & Strassen schleichen, ist der Advent so schnell an mir vorübergeglitten, dass weder Feierlichkeitsgefühle noch grosser Pathos mein Herz einnehmen konnten. Was vielleicht auch sein Gutes hat für das kleine Mädchen im Fernost. Alle Pläne, grandios zu schwänzen (wie langweilig!) und mit den Christen, die ich in meiner Sovjeten-Uni zusammenkrallen kann, grossem Okzidenten- und Weihnachtstum zu fröhnen, oder sich verlassen von der Welt in einen (Chaoyang) Park zurückzuziehen und sich elendig zu bedauern kamen also nicht zustande. Vielmehr stand ich wie jeden Tag äusserst knapp auf, rannte ungeduscht zum Gebäude 4 hinüber, hörte übermüdet vom vorherigen (Tradition gewordenen) 水烟 (Wasser-Rauch)-Abend dem jugendlichen Zirpen unserer Herren Mitschülern zu, ass in der Pause eines dieser ekligen Aufwärme-我不想知道里边有什么东西-Sandwiches und konnte dann mittags endlich erlöst eine Weile ins Bett sinken. Abends nahm ich am BICF (Beijing International Christian Fellowship)-Gottesdienst teil. Jetzt hab ich nicht nur Weihnachten in Beijing erlebt, sondern auch einmal Einblick in die Welt dieser populären amerikanischen Massenevents erhalten (ja ich hab eine negative Einstellung dazu. Aber!). Eigentlich hats mir ganz gut gefallen, sehr modern und eingänglich. Der Pfarrer aus Toronto erzählte von seinem ersten Weihnachtsfest in Beijing (wo noch weniger war als heute) und nahm uns einsamen Austauschschülern das leise Unbehagen und regte die Leute an, sich auf die wesentliche Botschaft des Fests zu besinnen (das wo die Engel als erstes zu den Hirten gehen und ihnen die frohe Botschaft verkünden etc). Das hat nicht nur in mir etwas bewegt. Mein vietnamesischen Mitschüler begann, lange über alles Mögliche, was das im Ausland weilende Herz so bewegt, zu diskutieren und nahm nach der Kirche auch mit mir den Umweg über den leeren Tian'anmen (jetzt kann ich sagen: ich war an Heiligabend am Tian'anmen, und er war wie jeden Abend geschlossen, und es war eiskalt und menschenleer, aber ein Soldat hat sich nach mir umgedreht, als ich ihm Frohe Weihnachten wünschte). An der Uni geschah eine spontane 晚会 ("spät" "Meeting": Party), die ein bisschen später zu einer 早会 (same with "früh". Liuxueshenghua) umbenannt werden musste, und um 8 Uhr morgens kam ein frohes Telefon aus New York an, wo der Rest der Sippe gerade mit Weihnachtsessen anfing. So dreht sich die Welt Tag um Tag dem letzten Zipfel eines ereignisreichen Jahres 2008, und diesen Donnerstag, 25. Dezember 2008 um 14:18 schicke ich meine Jahres- Glücks- und Segenswünsche los, dass auf diesem oder aber auf dem telepathischen Wege meine Gedanken euch Freunde, Feinde und Verwandten erreichen und euch frohgemut ein gutes neues Jahr beginnen lassen.
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