5/25/2009

Anektötchen

(für Nevena)

Freitag ging ich in die kleine Campus-Klinik, um mich um Alternativbehandlugen für die kleine Warze an meinem Finger zu erkundigen. Der TCM-Arzt* erklärte ernsthaft, die Arzneien nützen nichts, das gehe mit Lazer aber ganz schnell weg. Ich lächelte und ging zurück in den Unterricht.

* TCM steht für Traditional Chinese Medicin, oder auf deutsch: Traditionelle Chinesische Medizin.

5/24/2009

Latest

Die letzten Wochen waren von ins Unerträgliche steigenden Temperaturen geprägt, die Fragen nach dem Überleben im weiteren Sommerverlauf aufkommen liessen. Ich liess mich aber nicht unterkriegen und unternahm desto mehr Aktivitäten.

An einem klaren Tag in der letzten Woche stiegen Suzie, Wilfredo und ich auf den Fernsehturm im Westen der Stadt und genossen einen 360° Blick über das (20) Millionendorf, das Peking ist.

Am nächsten Abend begingen Couchsurfer die Durchquerung der Altstadt entlang der imaginären "Drachenpuls" Achse, die sich 7.8 km lang vom Yongdingmen im Süden nordwärts über Qianmen, Tian'anmen und Kaiserpalast zum Trommel- und Glockenturm hinauf erstreckt und die Stadt, wie sie zu Ming und Qing Zeiten aussah, fast symmetrisch teilt. Auf dieser Achse befindet sich der grösste Teil der imperialen Architekturen und auch ein guter Teil der modernen Regierungsapparate.

Letzten Sonntag unternahm ich eine 3-Stunden-Fahrt ins Dörfchen Changping, das zwar offiziell schon ein Stadtteil Pekings ist, aber de facto fast bei den Hügeln der Grossen Mauer liegt... Dort kam ich zwar zu spät zum Gottesdienst, erstand aber dennoch das chinesische Kirchengesangbuch (juhui).

Im Laufe dieser Woche löste ich mein Internetproblem, liess mir die Lunge nicht röntgen, schlief jede Nacht schlecht, erhielt gute Sprachtestresultate zurück, kaufte Bücher, ging joggen (!) und stattete wieder einmal den Kunstvierteln einen Besuch ab. Soweit... :)

Ze Internet Phenomenons

In diesem Jahr, in dem sich ein paar wichtige Ereignisse (60 Jahre Volksrepublik) und ein paar wichtige Un-Ereignisse (20 Jahre...) jähren, und wo China zwischen den Olympischen Spielen in Peking letztes Jahr und der Weltausstellung in Shanghai in 2010 für einmal nicht mitten im Aufmerksamkeitsfokus liegt, ist es Zeit & Gelegenheit für Chinas Regierung, seinem Volk wieder ein bisschen genauer auf die Finger zu schauen. Wir alle haben von der Internet-Zensur gehört, die hier (notabene in Zusammenarbeit mit westlichen Firmen, zB. Google) praktiziert wird. Wer nun im fernen Westen schon immer von der Gelegenheit träumte, unter volksrepublikanischen Bedingungen im Internet zu surfen, kann jetzt mithilfe eines neuen Firefox-Add-ons diesen Wunsch verwirklichen. Viel Spass!

PS: Ja, es ist wirklich so. Und: Nein, es ist nicht unumgehbar, wie dieser Blogeintrag beweist.

5/14/2009

五一 Weekend

Vor zwei Wochen war der erste Mai, und wir hatten offiziell drei Tage frei (das ist aber gelogen, weil zwei davon waren sowieso Wochenende), also zumindest den Freitag. Lange waren sowohl Grosse Mauer Wanderung als auch Couchsurfing-Fahrt nach Datong geplant und gebucht, am Donnerstag 31sten stellte Alain aber einen Fehler an den Tickets fest. So begann das Abenteuer am selben Abend, als wir an den Westbahnhof fahren mussten, um die Abfahrtszeiten zu ändern. Überraschend erledigte sich selbiges schnell und problemlos und wir wandten uns frohgemut der Menschenmenge zu, die auf dem Bahnhofsplatz vor einem grossen Bildschirm sitzend einen Liebesfilm schaute.

Am Freitag war grosser Regen angesagt, aber ich glaubte es nicht und kam nur mit Pulli und Regenschirm auf die Mauer. Grosser Fehler. Es regnete fast die ganze Wanderung durch und hörte erst beim Abstieg wieder auf. Zurück in Beijing war die Luft weich und durchsichtig und der Himmel blau. (Man beachte auf unterem Foto das Fehlen von Menschen.)


Am Abend fuhren wir nach Datong. 大同 liegt in der Shanxi Provinz, sechs Zugstunden westlich von Beijing. Die Stadt wurde ca. 200 v.Chr. von der Han Dynastie gegründet und diente seinerzeit als Station auf der Seidenstrasse zwischen China und der Mongolei. Im Lauf der Zeit schlief das Städtchen immer wieder ein, wurde aber immer wieder "aufgeweckt". Datong ist "traditionell" bekannt für zahlreiche Kohlevorkommen und gilt als eine der Städte Chinas mit der schlimmsten Pollution. Ausserdem werden anfang Mai anscheinend alle Strassen aufgerissen, was den Verkehr während unseres Aufenthalts zu einem Hauptstörfaktor machte.

Die (Haupt)Sehenswürdigkeiten Datongs liegen alle nicht im Ort selber, sondern weit ausserhalb. So buchten wir Samstag morgen eine Tour zu den zwei Hauptattraktionen des Ortes (bzw der Gegend), und fuhren um 9 los zu einem 1500 Jahre alten buddhistischen Kloster, das in einer Felswand hängt. So eindrücklich es war, so rege besucht war es auch an diesem Tag; kurz gesagt, so rege besucht war es, dass wir es am selben Tag nicht mehr zu den Yungang Grotten schafften, sondern heimkehren mussten. Den Abend verbrachten wir vergnüglich beim Entdecken unseres bescheidenen Hotels (6 Stockwerke, 1 Toilette pro Stockwerk und 1 Dusche für das ganze Gebäude) und des Datonger Nachtlebens und sprangen am nächsten Morgen mehr oder weniger frisch aus den Federn, um vor dem Stau noch zu den Grotten zu gelangen, da der Zug zurück nach Beijing bereits am Mittag fuhr.


Besagte Grotten sind die eigentliche Hauptattraktion Datongs. Wie das hängende Kloster wurden sie um zwischen 460-525 herum "gebaut", bzw. in die Sandsteinwand skulptiert. Insgesamt 50'000 Buddhafiguren kann man jetzt in den 250 Grotten betrachten, die grösste 14 Meter und die kleinste nur wenige Zentimeter hoch.

Ein Foto der Grotten kann ich vorerst leider nicht aufladen, da sich die Verbindung zum Blog im Moment schwierig gestaltet.

5/10/2009

Das schönste Wort

In unserer allerersten Chinesischstunde im Gymnasium wurden wir von Frau Koller mit dem Sprichwort "不怕慢,只怕站。", "Fürchte dich nicht vor dem Langsamsein, sondern vor dem Stehenbleiben." empfangen. Man braucht nicht mühevoll Chinesisch gelernt zu haben, um die Bedeutung dieses Satzes zu verstehen; wir alle kennen Momente, wo uns das Langsamsein zuweilen dem Stehenbleiben zum Verzweifeln ähnlich scheint. Das Lieblingswort 慢 (màn, "langsam") begleitet mich also schon seit dem ersten Tag. Es ist eins der alltäglichsten Worte und überall anzutreffen:


In anderen Verwendungsformen geht 慢 aber über seine Grundbedeutung hinaus: mit 慢慢来 (màn màn lái, wörtl. "langsam kommen"), was ungefähr mit "sachte" oder "take it slow" übersetzt werden kann, trösten z.B. Einheimische ihre frustrierten ausländischen Freunde. 慢慢吃 (màn màn chī, wörtl. "langsam essen") sagt man während dem Essen für "guten Appetit" und "lass es dir schmecken"; und mit 慢走 (màn zǒu, wörtl. "langsam gehen") verabschiedet sich der Gastgeber vom Gast.
In diesen Ausdrücken nimmt 慢 verschiedene Anklänge auf: langsam kommt, was ohne Eile ist (und was Geduld hat/braucht), langsam isst, wer geniesst, und langsam geht, wer einen sorgenfreien und beschützten Weg vor sich hat. "Langsam" wird zu einem Attribut von "Ruhe und Frieden". Irgendwie naheliegend und irgendwie überraschend.