3/07/2009

Macau

Obwohl ich nur für eine Tagesreise nach Macau übersetzte, muss ich an dieser Stelle eine kleine Hymne auf diese kleine Stadt loslassen. Macau trägt seit dem 16ten Jahrhundert Spuren portugiesischer Besiedlung, und weil es sich im Gegensatz zu Hong Kong nie so sprunghaft entwickelt hat, steht die ganze Altstadt mit einer Festung, einer ganzen Menge Kirchen und einem alten protestantischen Friedhof noch in ganzer kolonialer Pracht. Von Macau aus begann Portugal den Handel mit China, lange bevor England kam und mit seinem Opium alles durcheinander brachte. In Macau sind auch die ersten Spuren von Missionaren und vom Aufeinandertreffen christlicher und asiatischer Kultur zu finden. Besonders schön manifestiert sich das in der Haupt-Touristen-Attraktion der Stadt, der Fassade der St. Paulus Kirche.


Und dann sind da natürlich noch die Casinos... Nach vielen Stunden hin und her durch die Gässchen und Plätzchen der Stadt schaute ich kurz vor der Abreise noch ins Casino Lisboa hinein, aber zum Spielen reichte die Kühnheit nicht. Und so flitzte ich müde mit der Fähre zurück nach Hong Kong Island.

Hong Kong

Vor etwa einem Monat schritt ich in Shenzhen über die Grenze ins Gelobte Land Hong Kong, und fand mich erstmal im Grünen; und da blieb ich auch, als ich zur Familie Brandner an der Chinese University of HK fand, die mich gastfreundlich für die folgenden drei Wochen aufnahm. Die Universität befindet sich ausserhalb der Stadt in den New Territories, die mit den Outlying Islands zusammen den allergrössten Teil von Hong Kongs Landesfläche ausmachen. Die urbane Fläche beschränkt sich auf 7% des Territoriums. Aber was für 7%!

Ich genoss erstmal eine Woche belangloses Herumbummeln durch die gedrängten Gassen Kowloons und zwischen den gedrängten Wolkenkratzern auf Hong Kong Island. Ja, es ist wahr, alles ist wie auf den Postkarten und in den Filmen, und noch viel besser. Auch wenn mir die Stadt zuerst Angst gemacht hatte: Hong Kong ist die perfekte Mischung zwischen traditionellem Chinesentum und moderner Infrastruktur; eine saubere und effiziente U-Bahn, Kantonesisch, Mandarin und Englisch überall zu hören, Sicherheit, Religionsfreiheit, Medienfreiheit, Tempelwahrsager, Cheongsams als Souvenirs und die allgegenwärtige Verherrlichung des Geldes (An den Strassenecken und in der U-Bahn kann man den Börsenkurs verfolgen). Alles ist so kompakt, dass man ebenso schnell ins Gewühl getaucht wie hinaus ins Grüne enthüpft ist, und ich zelebrierte einmal mehr die Wiederentdeckung von Düften und Pflanzen und Tieren und Hügeln (gibts ja in Peking auch ... wenn man 2 Stunden hinausfährt; ansonsten ist es da vor allem flach, grau und trocken). Meine Beziehung zu Beijing zerfiel zu Wüstenstaub in diesem völlig vergessenen Klima der Selbstverständlichkeit, Unkompliziertheit und Vertrautheit.

Brandners päppelten mich lieb mit Schweizerdeutsch und Zopf. Eine Schweizer Familie in den Tropen, allzu fern liegt der Vergleich zu der Côte d'Ivoire ja nicht, und alles hier wollte mich an alles dort erinnern, bis zu Details wie der trächtigen Katze, die drei so kleine herzige Kätzli gebar, und den Mangos am Morgen und und und. Schon seit 12 Jahren lebt die Familie in Hong Kong. Tobias arbeitet für die Mission 21 als Gefängnispfarrer und unterrichtet an der CUHK. Hier ist ein Link zu einer Reportage vom Schweizer Fernsehen über seine Arbeit. Er nahm mich einmal mit zu einem Gottesdienst in einer sehr jungen Gemeinde, wo er auf Kantonesisch über seine Arbeit erzählte. Christentum scheint in zu sein in Hong Kong. Seine Frau Gabi kümmerte sich lieb um mich und half mir, mich in der Stadt und mit meiner inneren Verwirrtheit zurecht zu finden. Sie stellte mir die lokale Unart vor, Kaffee mit Tee gemischt als Getränk zu geniessen, und werweisste mit mir über Wolkenkratzer mit Seesicht.

Durch sie hatte ich während meinem Aufenthalt auch Gelegenheit, etwa 10 Tage in einem Aufnahmezentrum zu arbeiten für Haushelferinnen aus Indonesien, die mit ihrem Arbeitsgeber in einem Gerichtsstreit stehen und darum obdachlos sind (denn die Hausangestellte lebt mit der Familie zusammen); Im Shelter, der von der Mission 21 mitfinanziert wird, finden sie ein Bett und Unterstützung bei der Suche nach einem Anwalt. Ich durfte Englisch Unterricht geben (Lieder singen) und zweimal haben wir Muffins gebacken. Ansonsten hab ich vor allem den Geschichten der Frauen und der zwei lieben Leiterinnen (auch zwei Indonesierinnen) zugehört. Einfach aufnehmen...

An meinem letzten Tag in Hong Kong wanderte ich auf der Insel Lantau an einem Riesenbuddha und einem Nonnenkloster vorbei und traf - last but not least - zwei Couchsurferinnen zum z'Nacht, die so kurz vor meiner Abreise doch noch ein paar freie Stunden in ihrem Kalender gefunden hatten. Eine Freundin von ihnen gab mir in meinen letzten Stunden gar noch eine Führung durch die verschiedenen Campusse der Uni; Es stellte sich heraus, dass sie am selben Ort wie Tobias arbeitet... so klein ist die Welt auch in Hong Kong.

3/05/2009

Ein schwarzer Töff

Heute ging ich auf dem Weg zum Supermarkt an einem schwarzen Mofa vorbei mit der Aufschrift "Tibet is a part of CHINA". Beeindruckt ob des kriegerischen Statement begannen ein paar Gedanken in meinem Kopf herum zu flitzen. Einerseits bin ich hier in China bisher noch nie Slogans oder Statements, die nicht vom Staat herausgegen worden wären (das sind dann so grosse rote Spruchbänder, die zu guten Betragen auffordern), begegnet, geschweige denn Graffiti oder sonstwie öffentlichen Meinungsäusserungen zu Themen politischer Natur (ausser in Hong Kong und Macao). Andererseits ist von Meinungsäusserungen zu Themen politischer Natur (auch weniger plakativer Art) hier generell eher gering zu hören.

Meine chinesischen Sprachkenntnisse haben noch nicht das Niveau, das zu differenzierten Debatten notwendig wäre, erlangt; das wichtigste Wort des post-maoistischen Chinas haben wir aber in einer der ersten Lektionen gelernt: 改革开放, die "Open Door Policy", die sich ja dieses Jahr zum 30sten Mal jährt, war in meinen fünf Monaten hier das meistgehörte Worte im Gespräch mit Taxifahrern, Mitreisenden, Studenten und sonstigen Gelegenheitsbekanntschaften. Viele Bewohner Chinas mögen ebensowenig Interesse an Politik zeigen wie die bekannte schweigende Mehrheit der Schweizer Bevölkerung (seien die Gründe dafür auch verschieden); Für Deng Xiaopings Öffnung Chinas haben alle erstmal ein gutes Wort übrig. Viele wissen gar nicht viel mehr, und es interessiert sie auch nicht gross. Ausserdem kann die Regierung zu kritisieren immer noch ein Gesundheitsrisiko darstellen, also redet man nicht gross drüber. Wer solche Kritikpunkte wüsste, steht bildungsmässig über dem Durchschnittsniveau und hat meist auch mal Kontakt zur Aussenwelt gehabt, und das sind, bezieht mans auf die Bevölkerungszahl des Landes, nicht viele. Wer dann, wie der grössere Teil dieser Bevölkerung, seine Quellen auf Xinhua und CCTV beschränkt, kommt notwendigerweise zu einem verzerrten Bild der Tatsachen. Mein Sprachpartner Yangyang erklärte mir in ziemlich knappen Worten zu den jeweiligen Themen Tibet, Taiwan und Hong Kong - es klang ganz im Sinne der KPCh bzw unserer Motorradaufschrift. Auch der Hass gegen Japan ist immer noch verbreitet. Ein anderes Mädchen freute sich letztes Jahr über die OG, dass das "für China eine gute Gelegenheit sei, sich der Welt vorzustellen". Was sie damit meinte? Ich bezweifle, dass sie selber sich dazu grosse Gedanken machte (bzw. daran gedacht hätte, sich zu ihrer persönlichen Meinung grosse Gedanken zu machen). Warum auch? Im Süden heisst es "China ist gross und Peking ist weit". Das heisst, man redet da ein bisschen offener darüber als im Norden. Aber auch in Peking selber, das durch seine Ausgedehntheit und die in sich geschlossene Wohnhof-Struktur immer noch eher eine dörfliche als eine Grossstadt-Atmosphäre ausstrahlt, lässt sich ganz gut im "Höfli" leben ohne von Politik tangiert zu werden oder derartigem öffentlichen Leben tangiert zu werden.

Die Haltung der Menschen ist also grösstenteils eher "Ich halt mich raus", oder kühn "Ich schimpfe ein bisschen, aber ich halt mich raus". Die Regierung hat ja im Laufe der Geschichte einige Male klargestellt, dass sie vom Volk genau das erwartet. Die einigen aber, die aus dem Haufen herausstechen mit Forderungen an die Regierung bez. Menschenrechten und Demokratie leben unangenehm. Wie restriktiv das Klima auf dem Festland tatsächlich ist, fiel mir erst bei der Begegnung mit einem Hong Konger auf dem Heimweg nach Peking auf. Nicht, weil ich in ihm endlich einen Chinesen gefunden hatte, der seinem Land endlich die Meinung sagte; einfach, weil das Gespräch sehr viel unverspannter lief, als die ewiggleichen "My first talk to a foreigner"-Dialoge. Oder lag es doch nur daran, dass er in Amerika gewesen war und Englisch sprach, wohingegen die bisherigen Zug-Bekanntschaften Arbeiter aus Jiangsu und betrunkenen Poeten aus Shandong gewesen waren? Wahrscheinlich. Er wusste übrigens eine interessante Art, den Unterschied zwischen der östlichen und der westlichen Kultur zu erklären. Mehr dazu später...

3/03/2009

Zurück in Beijing

Seit einer Woche bin ich jetzt schon von meiner langen Reise zurück in der Hauptstadt, und seit gestern hat das Semester auch schon wieder angefangen. Die zwei-fast-drei Wochen in Hong Kong waren voller Erlebnisse und Eindrücke, von denen ich bald berichten will, aber die allerletzten Ferientage in Beijing musste ich mich erstmal sortieren & ausruhen. Nach einem leicht erschütterlichen Gang mit dem Lappen zeigt sich jetzt auch das Wohnumfeld von einer anständigen Seite, und die alte manuell bediente Waschmaschine hat mich schon ganz mit ihrem Charme und ihren Fuseln umgarnt. Die Liftdamen (ja, Sie lesen recht, hier in China weiss man noch, was Luxus ist) beschenken mich allmorgendlich mit ihrem Lächeln, und ich freu mich auf die letzte Hälfte Schulzeit in meinem lieben Peking.